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Donnerstag, 31. März 2022

Von der Waschfrau zur Unternehmerin

Mutter Lustig gründete erste Wäscherei in Berlin

Nach einem Besuch der Schlossinsel in Köpenick, bietet sich noch ein Spaziergang zum Fischerkietz (lialo-Tour durch Köpenick) an, den man in wenigen Minuten über die Müggelheimer Straße erreichen kann. Auf dem Weg dorthin kommt man am Denkmal von Henriette Lustig vorbei, der Namensgeberin für das originelle Lokal an der Spreepromenade, mit dem idyllischen Außenbereich am „Frauentrog“ und dem malerischen Blick auf das Wasser der Dahme.

Doch wer war diese Frau, der man nicht nur ein Denkmal, an ihrem Haus in der Altstadt auch eine Gedenktafel gewidmet hat?

Henriette Lustig am 3. Februar 1808 in Köpenick geboren, wurde mangels beruflicher Alternativen Wäscherin und machte die Spree mit ihrem weichen Wasser zu ihrem Arbeitsplatz.

Mit Waschbänken und Rubbelbrettern hockten die Frauen damals an der Spree und brachten Köpenick den Spitznamen als „Waschküche Berlins“ ein. Mit 27 Jahren wollte Henriette jedoch keine abhängige Wäscherin mehr sein und gründete am Alten Markt in Köpenick die erste Lohnwäscherei in Berlin. Schnell entwickelte sich dieses Dienstleistungsgewerbe zu einem profitablen Geschäft. Im Laufe der Jahre wuchs der Berliner Kundenkreis, sodass auch Wäsche mit Hundewagen oder später mit Pferdegespannen transportiert werden musste.

Die Anzahl der kleinen und mittleren Wäschereien stieg schnell an und die Konkurrenz wurde größer. Im Jahr 1900 arbeiteten in 87 Wäschereien bereits 4.000 Wäscherinnen. Einer der größten Konkurrenten für Henriette Lustig war der Unternehmer Julius Spindler. Bereits 1882 hatten dessen Wäscherei und Färberei 1.500 Arbeiter und 35 Filialen in ganz Deutschland.

Das Haus der Eltern von Henriette Lustig befindet sich am Alten Markt 4, wo eine Gedenktafel zu Ehren der Unternehmerin angebracht ist. Henriette Lustig hat das Wohnhaus im Jahr 1859 für 2.150 Taler von ihrem Vater gekauft und es 1879 – nach der Währungsreform 1873 – für 21.000 Mark an ihren Schwiegersohn weiterverkauft. 17

Kinder soll Henriette Lustig geboren haben. Bei der Testamentsfestlegung 1871 sind allerdings nur noch acht erwachsene Kinder vermerkt.

Die Wäscherei wurde bis 1965 von einer ihrer Töchter und später von einer Enkelin weitergeführt. Anfang der 80er Jahre wurde zu Ehren der „Wäscherin“ an der Spreepromenade gleich neben der Schlossinsel ein Brunnen-Denkmal aufgestellt, das „Mutter Lustig“ kniend am Trog zeigt, wie sie die Wäsche mit der Hand sauber macht. Text und Foto: Klaus Tolkmitt

Sonntag, 13. Oktober 2019

Die Geschichte vom "Hauptmann von Köpenick"

Im Rathaus Köpenick
Als Friedrich Wilhelm Voigt als Sohn eines Schu Als Friedrich Wilhelm Voigt als Sohn eines Schuhmachers am 13. Februar 1849 in Tilsit das Licht der Welt erblickte, ahnte natürlich noch niemand, dass er als „Hauptmann von Köpenick“ (Die Geschichte vom Hauptmann gibt es auch als Tour bei lialo) in die Geschichtsbücher eingehen wird. Sein spektakulärer Überfall auf das Rathaus der Stadt Cöpenick bei Berlin, in das er am 16. Oktober 1906 als Hauptmann verkleidet mit einem Trupp gutgläubiger Soldaten eindrang, den Bürgermeister verhaftete und die Stadtkasse raubte, machte weltweit Schlagzeilen und wurde später sogar als Komödie verfilmt.

Das Denkmal vor dem Rathaus Köpenick
Voigt besuchte in Tilsit die Volksschule und die unteren Klassen einer Realschule, bevor er bei seinem Vater in die Schuhmacherlehre geht. Von seinem 14. Lebensjahr an wird er wiederholt wegen Diebstahls bestraft. Seine Wanderjahre als Schuhmachergeselle führten ihn durch weite Teile Pommerns und nach Brandenburg. Zwischen 1864 und 1891 wurde er viermal wegen Diebstahls und zweimal wegen Urkundenfälschung verurteilt und verbrachte viele Jahre im Gefängnis. Später zog er nach Rixdorf bei Berlin, wo er bei seiner älteren Schwester Bertha und deren Mann, dem Buchbinder Manz, wohnte und in einer Schuhwarenfabrik Arbeit fand.

Seinen am 16. Oktober 1906 folgenden Coup plante Voigt sorgfältig. Er informierte sich über Details der Ablösung von Wachmannschaften und wählte als mögliche Tatorte Rathäuser von Kleinstädten in der Nähe von Berlin aus. Nachdem er anfangs auch Oranienburg und Bernau in Erwägung gezogen hatte,  entschied er sich schließlich für Köpenick. Bei verschiedenen Trödlern besorgte sich Voigt Teile der Uniform eines Hauptmanns des preußischen 1. Garde-Regiments. In dieser Verkleidung hielt er im Westen Berlins mittags zur Zeit des Wachwechsels auf der Straße einen Trupp Gardesoldaten an, ließ noch einen zweiten Trupp abgelöster Wachsoldaten herbeirufen und unterstellte zehn Mann unter Hinweis auf eine nicht existierende Kabinettsorder „auf allerhöchsten Befehl“ seinem Kommando. Mit der ihm nun zur Verfügung stehenden Streitmacht fährt er mit der Bahn nach Köpenick, wo er die Soldaten zum Mittagessen einlädt. Danach marschieren sie zum Rathaus Köpenick. Die örtliche Gendarmerie wird von Voigt angewiesen, während der Aktion für Ruhe und Ordnung zu sorgen.

Der Tresor im Rathaus
Sodann verhaftete er „im Namen Seiner Majestät“ Oberstadtsekretär Rosenkranz und Bürgermeister Georg Langerhans. Dem Kassenrendanten von Wiltburg erklärte er, den Bestand der Stadtkasse beschlagnahmen zu müssen. Der Barbestand belief sich auf 3557,45 Mark (inflationsbereinigt in heutiger Währung: rund 21.000 Euro). Schließlich ließ der falsche Hauptmann Langerhans und von Wiltburg in gemieteten Droschken unter militärischer Bewachung zur Neuen Wache nach Berlin bringen, nachdem er ihnen zuvor das Ehrenwort abgenommen hatte, keinen Fluchtversuch zu unternehmen.
Nach Beendigung seiner Aktion gab der Hauptmann von Köpenick seiner Truppe den Befehl, das Rathaus noch eine halbe Stunde besetzt zu halten. Er selbst begab sich unter den Augen einer neugierigen Menschenmenge zurück zum Bahnhof. Im Bahnhofsrestaurant ließ er sich nach Zeitungsberichten „ein Glas Helles kredenzen" und verschwand mit der nächsten Bahn in Richtung Berlin. Zehn Tage später wurde er beim Frühstück verhaftet, nachdem ein ehemaliger Zellengenosse, in Erwartung der hohen Belohnung, der Polizei einen Tipp gegeben hatte. Vom Landgericht II in Berlin „wegen unbefugten Tragens einer Uniform, Vergehens gegen die öffentliche Ordnung, Freiheitsberaubung, Betruges und schwerer Urkundenfälschung“ zu vier Jahren Gefängnis verurteilt. Über das Motiv des Überfalls gab es widersprüchliche Angaben. Während Voigt selbst vor Gericht, in seiner Autobiografie und auch bei seinen späteren Auftritten stets behauptete, er habe das Geld nur verwahren und eigentlich einen Auslandspass erbeuten wollen, vermutete sein Biograf Winfried Löschburg, tatsächlich sei es Voigt um zwei Millionen Mark (heute: rund 11.795.000 Euro) gegangen. Als strafmildernden Umstand ließ das Gericht hingegen gelten, dass er „nach Verbüßung seiner letzten Strafe bemüht gewesen ist, sich seinen Lebensunterhalt ehrlich zu erwerben und auf dem besten Wege war, ein nützliches Mitglied der bürgerlichen Gesellschaft zu werden. Voigt wurde schließlich von Kaiser Wilhelm II. begnadigt und am 16. August 1908 vorzeitig aus der Haftanstalt Tegel entlassen. Nun begann sein zweites Leben, indem er versuchte, daraus Kapital zu schlagen.



Die Uniform des Hauptmanns
Nach seiner Entlassung sorgte sein Auftreten in Rixdorf für tumultartige Menschenaufläufe, die sogar das Einschreiten der Ordnungskräfte erforderlich machten. Schon vier Tage später präsentierte er sich in Berlin anlässlich der Enthüllung seiner Wachsfigur im Wachsfigurenkabinett Castans Panoptikum Unter den Linden. Voigt signierte Fotos und hielt Ansprachen, was ihm jedoch sofort verboten wurde. Später bereiste er ganz Deutschland und trat in Lokalen und auf Jahrmärkten auf. In Sälen oder Zirkuszelten mimte er den Hauptmann von Köpenick und verkaufte Autogrammkarten, die ihn in Uniform oder in Zivil zeigten. Der Versuch, in die USA einzureisen, scheitert zunächst an den Einwanderungsbehörden. Ende März 1910 gelang es ihm, über Kanada in die USA zu kommen. Dort konnte er mit seinem Auftreten große Erfolge feiern. 1909 erschien in einem Leipziger Verlag seine Autobiografie: Wie ich Hauptmann von Köpenick wurde.


Am 1. Mai 1910 erhielt er einen neuen Ausweis und siedelte nach Luxemburg um, wo er – nachdem die öffentlichen Auftritte abgenommen hatten – überwiegend als Kellner und Schuhmacher arbeitete. Dank seiner Popularität brachte er es zu einem gewissen Wohlstand und gehörte zu den ersten Besitzern eines Automobils im Großherzogtum, in dem er bisweilen Ausflüge mit seiner Wirtin und deren Kindern unternahm.

Das Rathaus in Köpenick
Am 3. Januar 1922 starb er im Alter von 72 Jahren in Luxemburg, schwer gezeichnet von einer Lungenerkrankung und infolge von Krieg und Inflation völlig verarmt und wurde auf dem dortigen Liebfrauenfriedhof begraben. Angeblich begegnete der Trauerzug einem Trupp französischer Soldaten, die in Luxemburg stationiert waren. Auf die Frage des Truppführers, wer denn der Tote sei, antwortete die Trauergemeinde „Le Capitaine de Coepenick“. Daraufhin habe der Truppführer in der Annahme, hier werde ein echter Hauptmann zu Grabe getragen, seine Leute angewiesen, den Leichenzug mit einer militärischen Ehrenbezeugung passieren zu lassen.

Seit 1975 wird das Grab von der Stadt gepflegt und auf Betreiben einiger Abgeordneter des Europäischen Parlamentes wurde auch zugleich der Grabstein erneuert. Er zeigt nun eine Pickelhaube und die Aufschrift „HAUPTMANN VON KOEPENICK“. Darunter steht in kleinerer Schrift „Wilhelm Voigt 1850–1922“, wobei hier das Geburtsjahr falsch angegeben ist. Die Stadt Luxemburg lehnte 1999 den Antrag ab, die Grabstätte nach Berlin umzubetten. Das Haus, in dem er bis zu seinem Tode wohnte, steht heute nicht mehr.
Vor dem Rathaus in Köpenick wurde 1996 ein Denkmal aufgestellt. Am Rathaus wurde auch eine Berliner Gedenktafel für Voigt angebracht. Innerhalb des Gebäudes berichtet eine Dauerausstellung des Heimatmuseums Köpenick mit zahlreichen Anschauungsstücken über den „Hauptmann von Köpenick“. Recherche und Fotos: Klaus Tolkmitt