Winzerfest mit "Vater Rhein"
Groß und mächtig thront „Siegfried der
Rosslenker“ über dem Rüdesheimer Platz. Er gehört zur gewaltigen
Brunnenanlage, die die gepflegte Grünanlage dominiert.
Der
Rüdesheimer Platz, inzwischen ein Gartendenkmal, liegt im Berliner
Ortsteil Wilmersdorf und stellt das Zentrum des Rheingauviertels dar.
Darum sind die Straßen rund um den Platz auch nach Städten und Orten aus
dem Rheingau-Taunus-Kreis im Land Hessen benannt
Die 1911 entworfene neubarocke
Brunnenanlage wird in ihrer Mitte von Siegfried, dem Rosslenker
überragt. Flankiert wird er von einer Weinkönigin, oft auch als
allegorische Figur der Mosel bezeichnet und einer männlichen Skulptur –
auch als Vater Rhein beschrieben. Die Wohnsiedlung gilt als vorbildliche
Frühform aufgelockerter Bauweise im Grünen. So prägen die um 1910 im
englischen Landhausstil errichteten Wohnhäuser den gesamten Stadtplatz
durch ihre Fassaden, Giebel und auch die Vorgärten. Die Grünanlage liegt
etwas tiefer und ist durch den alten Baumbestand und die Blumenrabatten
eine kleine Oase inmitten der Großstadt.
Was liegt da näher, schon seit 1967
alljährlich hier unter den ehrwürdigen dicken Plantanen und Buchen in
aufgelockerter Atmosphäre das beliebte Winzerfest zu feiern. Text und
Fotos: Klaus Tolkmitt
Mehr Informationen über den Rüdesheimer Platz: https://www.ruedi-net.net/
Hier findet Ihr kleine und große Geschichten aus dem "Dschungel" der Großstadt. Ich erzähle meine Erlebnisse von unbekannten Kleinoden, möchte aber auch Tipps geben und Hintergründe erklären, die Touristen und Berliner*innen auf den ersten Blick nicht sehen. Berlin hat viele Persönlichkeiten, deren Spuren ich aufnehme, eine Story, die erzählt werden muss und unzählige Ansichten, die ich im Bild festhalte.
Freitag, 3. Januar 2020
Sonntag, 29. Dezember 2019
Berlin war von Seuchen und Epidemien geplagt
Mit den Desinfektionsanstalten kam die Hygiene in die Stadt
Ein alter Schriftzug am Haus 39 in der Ohlauer Straße in Berlin-Kreuzberg erinnert an eine Zeit zum Ende des 19. Jahrhunderts, als es mit der Hygiene in der Stadt noch nicht zum Besten bestellt war. Die Menschen erkrankten an Typhus, Cholera, Pocken oder Diphtherie. Der Wiener Arzt Ignaz Semmelweis wies erstmals 1840 auf die Bedeutung der Hygiene hin und auch in Deutschland wurde das Bewusstsein für Sauberkeit von Max von Pettenkofer vertieft. So entstanden zu Ende des 19. Jahrhunderts die ersten Desinfektionsanstalten.
Die Anstalt in der Ohlauer Straße ist Deutschlands älteste Desinfektionsanstalt. Man begann erst mit der Desinfektion von Kleidern, Matratzen und Bettwäsche von Kranken, dann mit dem medizinischen Besteck, später wurde (wenn notwendig) auch der gesamte Hausrat mit heißer Dampfluft behandelt, um Keime abzutöten und Krankheiten einzudämmen. Die Anlage wurde fortwährend baulich verändert und erweitert. 1925 richtete man eine Gaskammer zur Ungeziefervernichtung ein. Leider gab es für die Arbeiter gravierende Nebenwirkungen. Sie litten unter den giftigen Dämpfen und unter einem Chlor-Kalk-Gemisch. Immerhin waren 1908 113 Desinfektoren in der Anstalt, die sich bis zur Reichenberger Straße ausgedehnt hatte, beschäftigt. Im Ersten Weltkrieg reduzierte sich das Personal um etwa die Hälfte. Die verbliebenen Arbeitskräfte hatten viel zu tun.
Mit dem Krieg kamen die Pocken, die Ruhr, die Krätze und eine schwere Grippewelle, die 1918 dazu führte, dass über 300 Berliner Schulen schließen mussten. Nach dem Krieg wuchs die Armut und somit auch wieder die Gefahr von Epidemien. Zwischen 1923 und 1927 stieg die Zahl der Desinfektionen sprunghaft an. 29000 Todes- bzw. Krankheitsfälle wurden in der Stadt registriert und über 39000 Desinfektionen durchgeführt. Nicht verschweigen sollte man aber auch, dass in der damaligen Zeit heftig über Erfolg und Notwendigkeit einer Desinfektion diskutiert wurde. Letztendlich blieb die Bedeutung der Desinfektionsanstalt für die Volksgesundheit unbestritten.
Den 2. Weltkrieg überstand das Haus unbeschadet und stand noch einmal im Mittelpunkt, als sich im Sommer 1945 Ruhr und Typhus in den zerstörten Stadtteilen ausbreitete. Kriegsheimkehrer und Vertriebene importierten über dreißig registrierte ansteckende Krankheiten. Ende der vierziger Jahre kehrte langsam Ruhe ein. Lediglich 1961, als die DDR eine Desinfizierung der Geschenksendungen in die Demokratische Republik verlangte, hatten die Männer in Kreuzberg einige Hände voll zu tun. 1987, hundert Jahre nach der Einweihung der ersten Berliner Desinfektionsanstalt, wurde die Anlage in der Reichenberger Straße/Ohlauer Straße aufgegeben. Heute lernen und spielen hier Kinder. Von der ursprünglichen Bebauung blieben wesentliche Teile erhalten. Geformte Ornamentfriese und zinnenartige Dachabschlüsse beleben das Fassadenbild. Auch der Schornstein der Dampfanlage blieb erhalten und mahnt wie ein überdimensionaler Zeigefinger Sauberkeit und Ordnung an. Text und Fotos: Klaus Tolkmitt
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