Donnerstag, 22. September 2022

Berliner Original lebte einst in Stolpe

Der „Eiserne Gustav“ kämpfte gegen den Niedergang des Droschkengewerbes

Im Berliner Wannsee-Ortsteil Stolpe geht es noch recht beschaulich zu. Der kleine Ort hat noch seinen dörflichen Charakter behalten und Berlin scheint weit weg zu sein. 

Im alten Wannsee lebte aber ein Berliner, der es zu Weltruhm gebracht hat. Um sein Haus zu finden, muss man der Chausseestraße folgen und in die Alsenstraße abbiegen. Ein Stück weiter an der Hausnummer 11 hängt eine Gedenktafel für den „Eisernen Gustav“ (Gustav Hartmann).

Wie „Pinsel-Heinrich“ (Maler Heinrich Zille) und der „Hauptmann von Köpenick“ (Schumacher Friedrich Wilhelm Voigt) war auch der „Eiserne Gustav“ ein Berliner Original, aber kein Berliner: Gustav Hartmann stammte ursprünglich aus Magdeburg und hatte sich in Stolpe in der Alsenstraße mit einem Pferde-Fuhrunternehmen selbstständig gemacht.

Er schrieb Geschichte, nachdem er sich für eine Aktion gegen den Niedergang des Droschkengewerbes und die steigende Zahl von Autos mit seiner Droschke und dem Wallach Grasmus auf die 1000 Kilometer lange Reise nach Paris aufmachte. Nach 8 Wochen und zahlreichen begeisterten Empfängen in den durchreisenden Orten kommt der „Weltenbummler“ am 4. Juni 1928 in Paris an. Doch in der Seine-Metropole interessierte sich die Öffentlichkeit jedoch nicht für ihn, sondern für Charles Lindbergh, der gerade seinen ersten Flug über den Atlantik beendet hatte.


Zu seinen besten Geschäftszeiten verfügt Hartmann über zwei Kutschen, zwei Landauer, einen Kremser, einen Arbeitswagen, einen Möbelwagen und Pferdeschlitten. Er selbst stand jeden Tag bei Wind und Wetter mit einer Droschke am Bahnhof Wannsee und wartet auf Kunden. Hartmann hatte sein Fuhrunternehmen 1885 gegründet, doch 1928 zurzeit der Weltwirtschaftskrise konnte er als Droschkenkutscher seine Familie nicht mehr ernähren. Automobile Taxen werden von den Kunden bevorzugt.

Vor seiner Frau verheimlicht er diese Situation, indem er sich Geld leiht. Als Sicherheit verpfändet er das Grundstück und das Wohnhaus. Durch Zufall erfährt seine Familie davon und will ihn für unzurechnungsfähig erklären lassen. Nach einer Vorladung vor Gericht verlässt er mit seiner Droschke die Stadt ohne bestimmtes Ziel.

Ein Zeitungsreporter kann ihn aufspüren und verspricht ihm 500,- Mark für eine Fahrt nach Paris. Gustav Hartmann geht dann tatsächlich am 2. April 1928 mit seiner Droschke auf die Reise und wird vom Reporter Hans Hermann Theobald begleitet, der so zu einer außergewöhnlichen Story kommt.


Noch gezeichnet von seinem Misserfolg in Paris, wird Hartmann nach seiner Rückkehr aber von den Berlinern begeistert empfangen. Er versöhnt sich mit seiner Familie und beschließt, das auf der Reise erworbene Geld in eine „Automobilwerkstatt mit Tankstelle“ zu investieren. Durch seine Reise berühmt geworden, gründet der „Eiserne Gustav“ eine Stiftung für die Hinterbliebenen von – bei der Ausübung ihres Berufes – zu Tode gekommenen Taxifahrern (Gustav-Hartmann-Stiftung).

Seine Geschichte nahm Hans Fallada zum Anlass, einen Roman zu schreiben und mit Heinz Rühmann wurde die Geschichte vom Eisernen Gustav verfilmt. Später gab es mit Gustav Knuth noch eine siebenteilige Fernsehserie. Gustav Hartmann wurde auf dem Alten Friedhof Wannsee beigesetzt.

Während in der Alsenstraße eine Gedenktafel an das „Berliner Original“ erinnert, muss man sein Denkmal ein bisschen suchen. Es steht auf der Mittelinsel (oftmals von Büschen versteckt) der breiten Bundesstraße 1 im Bezirk Tiergarten an der Kreuzung der Potsdamer Straße mit dem Landwehrkanal. Text und Foto: Klaus Tolkmitt

Montag, 19. September 2022

Der „schiefe Turm“ von Stralau

Älteste Kirche in Friedrichshain

Auf einem Spaziergang am Ufer der Spree lässt sich ein Stück Berliner Mittelalter entdecken, denn der Sakralbau der Stralauer Dorfkirche geht auf das Jahr 1459 zurück.

Die auf einer Landzunge zwischen Spree und Rummelsburger Bucht gelegene Kirche gilt als älteste Kirche des Ortsteils Friedrichshain im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg.

Sie hat in den Jahrhunderten vieles erlebt und überstanden, jedoch der Bombenangriff im zweiten Weltkrieg hat ihr arg zugesetzt.

Beim Wiederaufbau wurde offenbar der Krater nicht ausreichend aufgefüllt, die Folgen sind heute zu sehen. Der Turm hat eine Schieflage und ist seither bekannt als der „schiefe Turm von Stralau“, in Anlehnung an den schiefen Turm von Pisa.

Was viele aber nicht wissen, der Stralauer Kirchenturm soll bereits 1934 eine Schieflage aufgewiesen haben. Wie dem auch sei, heute neigt er sich um 1,1 Grad mehr als sein italienischer „Kollege“, ohne dessen Berühmtheit erlangt zu haben.

Seit 1992 trägt der Förderverein dazu bei, die schöne Stralauer Dorfkirche zu erhalten, zu pflegen und mit Leben zu füllen. An jedem ersten Sonntagmorgen im Monat bietet die Kirchengemeinde einen Gottesdienst an. Im Sommerhalbjahr (Mai - August) ist die Kirche sonntags von 11:00 – 15:00 geöffnet. Text und Fotos: Klaus Tolkmitt