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Samstag, 16. März 2024

Das alte Berlin im Klosterviertel

Ein Spaziergang durch die „gute alte Zeit“

Bei einem Spaziergang durch die historische Mitte Berlins lässt sich die „gute alte Zeit“ noch einmal anschaulich nachvollziehen. Der Name des Viertels ist auf das ehemalige Franziskaner-Kloster zurückzuführen, das sich in der Klosterstraße befand. Heute ist es nur noch eine Ruine und heißt wie früher Graues Kloster, nach den Mönchen, die dort immer graue Kutten trugen.

Als Startpunkt für den interessanten Rundgang kann die U-Bahn-Station „Klosterstraße“ der Linie 2 genutzt werden. Die Station mit historischen Bildern alter Schienenfahrzeuge ist selbst schon einen Besuch wert, ganz besonders aber lohnt ein Blick in die Eingangshalle, denn dort sind stilisierte Palmen auf Keramikplatten aus den königlichen Werkstätten zu bewundern. Sie gehören zu einer Fassade, die auch im Pergamonmuseum zu sehen ist. Die Wandbilder im U-Bahnhof entstanden aus Ziegeln, die auch für das Ischtar-Tor im Museum auf der Museumsinsel Berlin verwendet wurden.

Weil dort beim Aufbau des Tores einige Fliesen mehr angefertigt als benötigt wurden, nutzte Architekt Alfred Grenander die Chance und verwertete die Schmuckstücke für seinen Bahnhof.

Heute fällt es schwer, sich zwischen Grunerstraße, Stralauer Straße und Littenstraße das Leben mit klappernden Kutschen in engen dunklen Gassen und hinter einer hohen Stadtmauer vorzustellen, doch Zeugen von alledem sind erhalten geblieben.

Nach dem Verlassen der U-Bahn steht man direkt vor der Parochialkirche, 1703 als Stadtkirche für die reformierte Gemeinde eingeweiht. Die Kirche gilt als erster barocker Kirchenbau von Rang in Berlin. Um die Kirche herum liegt der historische Kirchhof mit einer Reihe alter Grabkreuze. Ein Bombenangriff machte die Kirche 1944 zur Ruine.

Die Turmspitze mit dem berühmten Glockenspiel, das einst König Friedrich-Wilhelm I. gestiftet hatte, wurde zerstört. Erst nach der Wende wurde in den 90er Jahren damit begonnen, das Äußere der Kirche wieder herzustellen. Inzwischen kann man auch dem Glockenspiel wieder dreimal täglich um 9, 12 und 18 Uhr lauschen.

Hinter dem Kirchhof bietet sich ein Besuch  zur letzten Instanz an. Den Grundstein für das bis heute erhaltene Restaurant direkt an der ehemaligen Stadtmauer legte 1621 ein ausgedienter Reitknecht des damaligen Kurfürsten, als er eine Branntweinstube, das „Biedermeierstübchen“ eröffnete.

Die erste urkundliche Erwähnung des Gebäudes stammt aus dem Jahr 1561 und somit gehört die „Letzte Instanz“ zu den ältesten Berliner Restaurants.

In den 20er Jahren waren berühmte Persönlichkeiten wie Henny Porten, Maxim Gorki, Charly Chaplin, Heinrich Zille oder Clara Zetkin gern gesehene Gäste in dem Lokal. Seinen heutigen Namen erhielt das Restaurant im Jahr 1924 nach dem Gerichtsgebäude in der nahen Littenstraße. Nach dem Krieg wurde das Gebäude originalgetreu restauriert und 1963 wieder neu eröffnet.

Gestärkt nach deftiger Berliner Hausmannskost verläuft der Spaziergang weiter die Parochialstraße hinunter bis zur Jüdenstraße, eine der ältesten Straßen von Alt-Berlin. Sie ist Ende des 13. Jahrhunderts nach dem hier gelegenen Großen Jüdenhof benannt. Jüdische Einwohner sind schon seit 1295 in Berlin nachweisbar.

Von der alten Bebauung der Jüdenstraße blieben nach dem 2. Weltkrieg nur das Rote Rathaus sowie das Alte und das Neue Stadthaus erhalten. Die Jüdenstraße gehört zum Molkenplatz, an dem der prächtige Bau des Alten Stadthauses steht. Das Gebäude wurde 1911 feierlich eingeweiht.

Berlin brauchte zur damaligen Zeit mehr Platz, als im Rathaus zur Verfügung stand. Der Verwaltungsbau ist ein monumentales Gebäude mit fünf Innenhöfen, einem Festsaal und einem Turm. Das wohl wichtigste Ereignis, das jemals im „Alten Stadthaus“ stattfand, war die Verhandlung zum Einigungsvertrag 1990 unter Führung von Lothar de Maizière – dem letzten Ministerpräsidenten der DDR. Heute beleben das denkmalgeschützte Haus die Mitarbeiter der Senatsverwaltung des Inneren.

Über die Stralauer Straße kommt man zur Littenstraße, die wie fast alle Straßen im Viertel, auch eine wechselnde Geschichte hat. Namensgeber ist der jüdische Rechtsanwalt Hans Litten.

In der Nazizeit verteidigte er Arbeiter, die wegen ihrer politischen Aktivitäten angeklagt waren. Litten versuchte in diesen Prozessen aufzuzeigen, dass die NSDAP keine legitime Partei war. Nach Hitlers Machtergreifung wurde Litten sofort in Schutzhaft genommen und war in verschiedenen Konzentrationslagern inhaftiert. Im Februar 1938 nahm er sich im KZ Dachau das Leben. Im Hans-Litten-Haus in der Littenstraße erinnert eine Gedenktafel an den Rechtsanwalt.

Die Littenstraße nennt man auch „Anwaltsstraße“, denn neben dem „Deutschen Anwalts-Verein“ ist ein paar Schritte weiter das Amtsgericht Berlin-Mitte ansässig. Es ist im Stile des süddeutschen Barocks errichtet und wurde 1904 fertiggestellt.

Von außen noch eher unscheinbar, eröffnet sich innen ein architektonisches Bauwerk von prachtvoller Schönheit. Trotz der Dimension wirkt der „Justizpalast“, wie das Gerichtsgebäude auch gern genannt wird, nicht wirklich pompös. Herzstück der fast kreisrunden Halle sind die Zwillingswendeltreppen, die die Etagen verbinden und von jeder Etage den Blick in den Eingangsbereich freigeben.

Gegenüber dem Gericht waren die Franziskaner-Mönche zuhause. Zeugnis ist die Klosterruine, die auf eine Geschichte bis in das Jahr 1250 zurückblicken kann und zur Gründungsgeschichte Berlins gehört. Zuerst stand hier eine Feldsteinkirche. Reste davon sind noch heute in der nördlichen Mauer der Ruine zu finden.

Mit dem Bau einer dreischiffigen Basilika wurde Ende des 13. Jahrhunderts begonnen. Infolge der Reformation wurde das Kloster aufgelöst, von dem heute außer der Kirchenruine kein Gebäude mehr erhalten ist.

1574 wurde hier das Berliner Gymnasium „zum Grauen Kloster“ eröffnet. Berühmte Schüler und Lehrer wie Karl Friedrich Schinkel, Friedrich Ludwig Jahn und Otto von Bismarck besuchten auch die Klosterkirche. Im April 1945 wurde die Kirche durch Bombenabwürfe zerstört. Später wurden die Trümmer entfernt und übrigen Gebäude vollständig abgerissen. Heute steht die Ruine inmitten einer Grünanlage und wird gern für Ausstellungen, Aufführungen oder Konzerte genutzt.

Wer mehr über die Geschichte des Viertels wissen und die Stadtführung mit seinem Smartphone machen möchte, kann gern die lialo-App nutzen. Mit diesem Link: Alt, Älter - Klosterviertel kommt man direkt zur Tour und kann den Spaziergang starten. Text und Fotos: Klaus Tolkmitt      

 

Freitag, 29. Dezember 2023

Der ungekrönte „König von Kreuzberg“

Ein Spaziergang durch die Mühlenhaupt-Höfe im Bergmannstraßen-Kiez

Wer vor 2019 durch den Bergmannstraßen-Kiez im Berliner Bezirk Kreuzberg spaziert ist, wird die Mühlenhaupt-Höfe in der Fidicinstraße 40 noch nicht kennen. Auf dem Gelände einer früheren Brauerei befindet sich hier als Teil eines Künstlerhofes mit Ateliers, Werkstätten, Proberäumen und Theatern das Kurt Mühlenhaupt Museum.

In einer Dauerausstellung wird in einem Querschnitt die künstlerische Arbeit von Kurt Mühlenhaupt gezeigt. Mühlenhaupt, 1921 in Klein Ziescht im Kreis Jüterbog-Luckenwalde geboren und am 16. April 2006 in Zehdenick, Ortsteil Bergsdorf verstorben, war ein Berliner Original und Künstler, dessen Skulpturen und Bilder viele Menschen in der Berliner Kunstszene inspiriert haben. Als Maler, Bildhauer und Schriftsteller war er bekannt für seine humorvollen und satirischen Darstellungen des Berliner Lebens.

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Er galt als Kreuzberger Milieu-Maler und gehörte zu der 1972 gegründeten Gruppe der Berliner Malerpoeten, einer Gemeinschaft von malenden Schriftstellern wie Günter Grass, Aldona Gustas, Artur Märchen, Nepomuk Ullmann und Wolfdietrich Schnurre.

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Seine bevorzugten Motive waren Porträts von Menschen aus dem Arbeitermilieu. Er porträtierte mit Vorliebe die Welt der "kleinen Leute": Arbeiter, Tiere, Stadtpanoramen, Kinder, Hausfrauen, Bauern und Landschaften.

Als zeitweiliger Trödelhändler und Gastwirt war Mühlenhaupt selbst Teil des Milieus, das er so treffend und emphatisch schilderte. Zu entdecken sind im Museum aber auch seine Brandenburger Landschaften, Aquarelle aus Italien und Portugal, Plakate aus der Zeit der „Kreuzberger Bohème“ oder seine Kinderbücher. Als ungekrönter „König von Kreuzberg“ war er bekannt und populär wie Bubi Scholz oder Harald Juhnke.

Mit seiner Künstlerkneipe Leierkasten in der Zossener Straße, in der unter anderem Gerhard Kerfin, Ingo Insterburg, Lothar Klünner und Johannes Schenk Texte und Lieder vortrugen, Manfred Beelke, Artur Märchen und Pit Morell ausstellten, machte er ebenso Furore wie mit seinen „Biertrinkerblättern“.

Berlin-Kreuzberg wurde in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts in West-Berlin zum Inbegriff einer Alternativkultur, die sich vom offiziellen Kulturbetrieb am Kurfürstendamm und seiner Umgebung abhob. Kunst und Alltags-Leben sowie auch die Kunstsparten untereinander gingen eine enge Verbindung ein.

Die behutsam sanierten Gebäude und die liebevolle Gestaltung der urigen Hinterhöfe machen den Ort heute zu einem Kleinod in der pulsierenden Großstadt.

Das Kurt Mühlenhaupt Museum befand sich 20 Jahre im brandenburgischen Bergsdorf, bevor es 2019 nach Berlin zog. Im malerischen Hof erzählen 10 Bildtafeln an den Backsteinwänden und eine Filmstation vom Leben des Künstlers. Ein Audioguide führt auf seinen Spuren durch Kreuzberg.

Die Flächen sollen in den kommenden Jahren vergrößert und Aktivitäten, wie Ausstellungen und das Veranstaltungsprogramm, erweitert werden. Text und Fotos: Klaus Tolkmitt

Donnerstag, 20. Juli 2023

Die Geschichte der „Puppenbrücke“

Wie die Schlossbrücke über den Spreekanal zu ihrem Namen kam

Wo heute das Humboldt-Forum in Berlin-Mitte steht, erinnert nur noch die Schlossbrücke über den Spreekanal an das alte Schloss, dass hier mal gestanden hat.

Die Brücke wurde 1821–1824 von Karl Friedrich Schinkel im Stil des Klassizismus erbaut und ließ die Straße „Unter den Linden“ erstmals als durchgehende Prachtstraße vom Berliner Schloss bis zum Brandenburger Tor erscheinen.

Schon im frühen 15. Jahrhundert hat es hier eine hölzerne Brücke gegeben. Diese wurde damals "Hundebrücke" genannt, da der Schlossherr und seine Besucher die Brücke nutzten, um mit ihren Hundemeuten vom Schloss in das Jagdgebiet im Tiergarten zu gelangen.


1806 marschierte Napoleon mit seinen Truppen über diese Brücke in Berlin ein.

Die monumentalen Figuren auf dem dreibogigen Bauwerk wurden 1842–1857 von Schülern der Bildhauer Johann Gottfried Schadow und Christian Daniel Rauch zur Erinnerung an die Befreiungskriege geschaffen.

Jeweils vier Skulpturen stehen auf jeder Seite der Brücke auf hohen Marmorpostamenten und erzählen den Lebensweg eines Helden von seiner Kindheit bis zu seinem Tod.

Eigentlich hatte Schinkel einen Brückenschmuck aus Kupfer vorgesehen, aber wegen finanzieller Engpässe wurde dieser Plan nicht verwirklicht. So wurden die acht Figurengruppen aus weißem Carrara-Marmor gefertigt. Weil der weiße Marmor anfällig gegen Verschmutzung war und immer wieder gereinigt werden musste, sprach der Volksmund (wenn die Arbeit wieder anstand) von "Puppen putzen". Und so spricht man zuweilen heute noch von der „Puppenbrücke“.

Nach Abriss des Stadtschlosses hieß sie ab 1951 Marx-Engels-Brücke. Erst 1991 erhielt sie wieder ihren alten Namen und wurde ein Baudenkmal.

Zur Geschichte der Brücke gehört auch ein schrecklicher Unfall, der 22 Menschenleben kostete, anlässlich der Hochzeit des Kronprinzen und späteren Königs Friedrich Wilhelm IV. im Jahr 1823.

Damit der Hochzeitszug über die Brücke in das Schloss einziehen konnte, wurde das Bauwerk vorzeitig freigegeben, obwohl die Pflasterung fehlte und das Holzgeländer nur provisorisch angebracht war. Unter der Menschenmenge krachten Teile der Brücke in sich zusammen. Text und Fotos: Klaus Tolkmitt

Samstag, 24. Juni 2023

Sport und Freizeit auf der „Catcherwiese“

Skulptur gibt der Sport- und Spielwiese den inoffiziellen Namen

Zu jeder Jahreszeit kann ein Spaziergang durch den Volkspark Rehberge im Berliner Ortsteil Wedding zu einem Erlebnis werden, gibt es dort viel zu entdecken.

Der Volkspark Rehberge, der aus einer ehemals bewaldeten Dünenlandschaft im Berliner Urstromtag entstand, bietet alles, was erholungssuchende Großstädter von einem Park erwarten: neben großen Wiesen und bewaldeten Parkabschnitten gibt es Sportanlagen, Spielplätze, ein Wildgehege und viel Wasser.

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Zu Beginn des 20. Jahrhunderts plante Zoodirektor Carl Hagenbeck aus Hamburg, auf diesem Gebiet einen Ausstellungspark anzulegen. Hier sollten Tiere in einer Landschaft leben, die ihrer eigentlichen Heimat sehr nahekommt.

Andere Quellen sprechen dagegen von einer Tier- und Völkerschau mit ähnlichen Darstellungsweisen wie auf der Deutschen Colonial-Ausstellung von 1896 im Treptower Park. Tiere und Menschen aus den damaligen deutschen Kolonien sollten im Park zur Schau gestellt werden. Es kam allerdings nie zur Realisierung, da 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach.

Während des Krieges benötigten die Berliner Brennholz und so holzten sie die Bäume in den Rehbergen ab. Durch die fehlende Vegetation kam es verstärkt zur Bodenerosion. Dünen türmten sich auf und Flugsand beeinträchtigte das Leben der Bevölkerung.

Der hier liegende Sand wurde lange Zeit mit Karren in die Berliner Innenstadt gebracht und dort als „Wittensand“ für die Reinigung der Fußböden verkauft.

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In den 1920er Jahren wurde das Areal dann als Landschaftspark geplant und umgesetzt. Seitdem dient er zur Erholung und bietet Raum für Spaß und Aktivitäten.

Der Hauptzugang führt unter einer Fußgängerbrücke durch an zwei ehemaligen Umkleidekabinen vorbei, die dort seit 1929 stehen, zu einer großen Wiese, die sich im Zentrum des Parks befindet.

Am Rand der Wiese steht eine Ringerstatue, die 1906 von Wilhelm Haverkamp geschaffen wurde. Ursprünglich befand sie sich an zentraler Stelle im Schillerpark, musste dort aber 1941 dem neu errichteten Schillerdenkmal Platz machen.

Auf einem Sockel aus Muschelkalk stehen zwei nackte Ringer, denen die Anspannung im Kampf anzusehen ist. Die Skulptur ist eine Reminiszenz an das Herkules-Antäus-Gemälde, des Malers Hans Baldung von 1531.

Die „Große Spiel- oder Übungswiese“, so die offizielle Bezeichnung, bekam allerdings von den Berlinern schnell eine neue Bezeichnung. Umgangssprachlich ist für sie ein Ringer ein „Catcher“. Und so treffen sich heute viele Parkbesucher auf der „Catcherwiese“ zu Sport- und Freizeitaktivitäten.

Wer noch mehr wissen möchte, der sollte einen Spaziergang durch den Volkspark machen und auf Naturdenkmäler achten. Mit einem Smartphone und diesem Link: Naturdüne und Findlinge - Spurensuche in Wedding kann man die Tour abgehen. Text und Fotos: Klaus Tolkmitt

Dienstag, 23. Mai 2023

Metrische Einheit löst Meile ab

 Meilenstein ist letzter Zeuge des Kaiserreichs

Wer aus Richtung Steglitz von der Rheinstraße in Verlängerung die Hauptstraße befährt, wird kurz hinter dem Innsbrucker Platz in Schöneberg auf dem Mittelstreifen eine Säule entdecken, auf der Meilen als Längenmaß angegeben werden.

Das Rätsel löst sich auf, wenn man weiß, dass es sich um eine preußische Meile handelt. Anders als die geläufige US-Meile mit 1,6 Kilometern Länge, maß das preußische Pendant 7,532 Kilometer. Damalige Zeitgenossen wussten, dass sie für diese Strecke rund zwei Stunden zu Fuß benötigten, um dann vor dem Berliner Stadtschloss zu stehen. Das Schloss war Start- und Endpunkt für alle Meilensteine im damaligen preußischen Reich.

So wie vieles nicht für die Ewigkeit gemacht ist, gilt das auch für die Meilensteine als Maßeinheit. Als im Deutschen Kaiserreich 1875 das metrische System eingeführt wurde, verloren sämtliche Meilensteine ihre Bedeutung.

Der Meilenstein am Innsbrucker Platz zählt zu den drei Steinen, die es in Berlin noch gibt. Er stammt aus der Zeit von König Friedrich Wilhelm III., der seine Fahrten von Berlin nach Potsdam im Wagen zurücklegte. So stehen an der Vorderseite in lateinischen Ziffern und Lettern die Meilen von Berlin nach Potsdam. 

Wer mit seinem Smartphone die lialo-App öffnet und die Tour: 3. Etappe Bummel-Marathons. aufmacht, kommt automatisch am Meilenstein vorbei. Text und Fotos: Klaus Tolkmitt


Montag, 8. Mai 2023

Der Dicke vom Alexanderplatz

Ernst Gennat, ein Beamter der Berliner Kriminalpolizei.

Der Grabstein auf dem Südwestfriedhof in Stahnsdorf ist schlicht gehalten und verrät nur den Namen und die Lebensjahre (1880 -1939). Dabei hat Ernst Gennat in Berlin Geschichte geschrieben.

Geboren am 1. Januar 1880 als Sohn des Oberinspektors der Haftanstalt Plötzensee, in dessen Dienstwohnung er auch aufwuchs und so der späteren Kundschaft bereits denkbar nahe war. Früh bekam er Einblick in den Zusammenhang von sozialer Verelendung und Kriminalität.

Das Jurastudium brach er ab, um gleich bei der Polizei anzufangen. Am 1. August 1905 wurde er zum Kriminalkommissar ernannt. Hier beginnt seine Karriere unter drei politischen Systemen.

Schon zu Lebzeiten Legende und Original gleichermaßen, entsprach er dabei nicht dem klassischen Klischee des engstirnigen preußischen Beamten.

Hinter seinem Rücken wurde er von seinen Kollegen freundlich oder auch hämisch „Buddha der Kriminalisten“ oder „Der volle Ernst“ genannt. Diese Spitznamen spielten auf seine imposante Körperfülle an.

Bei der Gegenseite wurde er oft nur als „Der Dicke vom Alexanderplatz“ bezeichnet, weil sich seine Dienststelle dort in der „Roten Burg“ befand. Diesen Spitznamen hatte das Polizeipräsidium am Alexanderplatz in den 1920'er Jahren bei den Berlinern.

Als Gennat 1904 zur Kriminalpolizei kam, gab es noch keine Mordkommission im eigentlichen Sinne. Zuvor war ein so genannter „Mordbereitschaftsdienst“ innerhalb der Kriminalpolizei eingerichtet worden, damit zu jeder Tages- und Nachtzeit sofort Beamte an den Tatort geschickt werden konnten.

Ernst Gennat erkannte als einer der ersten die Wichtigkeit einer genauen Spurensicherung am Tatort.

Vor seiner Zeit war es keineswegs ungewöhnlich, dass die zuerst eintreffenden Schutzmänner am Tatort erst einmal „Ordnung schafften“ oder die Leiche pietätvoll hinbetteten. Gennat legte nun genaue Richtlinien für das Vorgehen am Tatort fest und setzte als unverbrüchliches Prinzip durch, dass vor dem Eintreffen der Ermittler nichts angefasst oder verändert werden durfte.

Gerühmt wurden vor allem seine Hartnäckigkeit und Ausdauer, sein phänomenales Gedächtnis und ein enormes psychologisches Einfühlungsvermögen, das ihn befähigte, „Profiling“ schon vierzig Jahre vor der Erfindung des Begriffs zu betreiben.

Gewaltanwendung bei Vernehmungen und (polizeirechtlichen) Befragungen lehnte er ab. Seine Mitarbeiter mahnte er eindringlich:

„Wer mir einen Beschuldigten anfasst, fliegt! Unsere Waffen sind Gehirn und Nerven!“

Im Jahre 1931 konnte die Zentrale Mordinspektion 94,7 % der Fälle aufklären. Heute liegt die Aufklärungsrate für Morde zwischen 85 und 95 %. Das Raubdezernat erreichte damals nur eine Quote von 52 Prozent. Gennat selbst gelang während seiner 33-jährigen Tätigkeit im Polizeidienst die Aufklärung von 298 Morden!

In der Krimi-Reihe um Kommissar Rath und in der daraus entstandenen Serie Babylon Berlin ist Gennat als Chef der Mordkommission Raths Vorgesetzter.

Diese und andere Geschichten sind in der kostenlosen Smartphone-Tour von lialo zu erleben. Mit diesem Link: Der Dicke vom Aleanderplatz lässt sich die Tour sofort starten. Zudem kann die Tour jederzeit unterbrochen und zu einem späteren Zeitpunkt weitergespielt werden.

Der Südwestfriedhof ist wohl der schönste und größte Berliner Friedhof, der bereits 1909 eröffnet wurde und außerhalb der Stadtmauern in Stahnsdorf liegt. Prominente Politiker, Musiker, Schriftsteller, Dichter und Filmemacher, also vor allem Künstler fanden auf dem Stahnsdorfer Friedhof ihre letzte Ruhe. Text und Fotos: Klaus Tolkmitt

Dienstag, 2. Mai 2023

Schloss Britz - Die Perle des Bezirks

Ehemaliges Herrenhaus ist jetzt ein Ort kultureller Veranstaltungen

Das Schloss Britz ist das ehemalige Herrenhaus auf dem historischen Rittergut des ehemaligen Dorfes Britz im gleichnamigen Ortsteil von Berlin im Bezirk Neukölln. Es ist heute Sitz der Kulturstiftung Schloss Britz und beherbergt in den originalgetreu rekonstruierten Räumlichkeiten des 19. Jahrhunderts ein Museum für die Wohnkultur der Gründerzeit und bietet Platz für wechselnde Sonderausstellungen, Lesungen und Konzerte.

Der rund 300 Jahre alte Gutspark zeichnet sich durch seinen alten Baumbestand und ein verschlungenes Wegenetz von 1890 aus. Das Schloss ist ein geschütztes Kulturgut und wird zu Recht die „Perle des Bezirks“ genannt.

Es erhielt seine heutige Gestalt um 1880, als der damalige Besitzer die Fassade im Neorenaissance-Stil erneuern ließ und einen Turm hinzufügte. Seine Blütezeit erlebte Schloss Britz unter Ewald Friedrich Graf von Hertzberg (1725-1795), der das Anwesen zur Hochblüte führte und es als Mustergut ökonomischer Landwirtschaft etablierte.

Im 18. Jahrhundert war Schloss Britz unter anderem noch im Besitz von Heinrich Rüdiger von Ilgen sowie Graf Ewald Friedrich von Hertzberg. Ilgen besaß Schloss Britz von 1719–1728 und diente als Staatsminister des Auswärtigen noch unter dem preußischen König Friedrich Wilhelm I. Hertzberg war 1763–1791 als Etat-, Kriegs- sowie Kabinettsminister einer der führenden außenpolitischen Köpfe in Preußen unter Friedrich II. Hertzberg ließ 1770 bis 1772 die Innenräume des Herrenhauses durch den Maler Bernhard Rode mit Wand- und Deckengemälden völlig neu ausgestalten.

Im 19. Jahrhundert gelangte das Anwesen in den Besitz bürgerlicher Fabrikanten. Der Seidenhändler und Spritfabrikant Johann Carl Jouanne bewohnte von 1824 bis 1857 mit seiner Familie das Gutshaus ganzjährig und ließ es diesen Ansprüchen gemäß umbauen, so dass viel von dem Dekor des 18. Jahrhunderts verloren ging. Unter dem letzten Privatbesitzer, dem Rübenzuckerproduzenten, Händler und Spirituosenfabrikanten Wilhelm A. J. Wrede, erhielt das Haus seine heutige schlossartige Gestalt. Es wurde 1880–1883 durch den Berliner Architekten Carl Busse zu einem großbürgerlichen Landhaus im Stil der Neorenaissance umgebaut.

1924 verkauften die Erben das Anwesen an die Stadt Berlin. Nach dem Zweiten Weltkrieg diente Schloss Britz als Flüchtlings- und später als Kinderheim. 1971 wurde das Schloss unter Kulturgut- und Denkmalschutz gestellt. Nach einer umfassenden Restaurierung 1985–1988, die den Zustand des letzten Umbaus von 1883 wiederherstellte, wurde es erstmals öffentlich zugänglich gemacht und ist seitdem Ort zahlreicher Kulturveranstaltungen. Quelle: Kulturstiftung Schloss Britz. Text und Fotos: Klaus Tolkmitt

Dienstag, 11. April 2023

Mahnmal erinnert an ehemalige Synagoge

Zeugnisse jüdischer Kultur in der Friedrichstadt

Ein bisschen versteckt im Innenhof der Barmer Ersatzkasse in der Axel-Springer-Straße im Berliner Ortsteil Kreuzberg steht ein Mahnmal, das als solches nicht gleich zu erkennen ist. Betonklötze, die an Ruhebänke erinnern, sind in Reih und Glied aufgestellt und sind ein Werk der drei israelischen Künstler Micha Ullman, Zvi Hecker und Eyal Weizman.

Das Kunstwerk „Blatt“ aus dem Jahr 1997 erinnert durch die Anordnung der Bänke an den Grundriss der ehemaligen Synagoge aus dem Jahr 1891. Die Betonbänke stellen eine einzelne Seite, ein Blatt aus einem jüdischen Gebetbuch – dem Talmud – dar. Daher kommt auch der Name für das Mahnmal.


In der Berliner Friedrichstadt, wo heute das Geschäftshaus mit der Ersatzkasse steht, gibt es noch viele Zeugnisse jüdischer Kultur.  Dies ist dem preußischen König Friedrich Wilhelm II. zu verdanken, der die südliche Friedrichstadt zu einem bevorzugten Wohngebiet des liberalen Judentums machte.

Mit 1800 Plätzen gehörte die Synagoge damals zu den größten sakralen Gebäuden in Berlin. Während der Novemberpogrome 1938 wurde sie in Brand gesteckt und stark beschädigt. Weitere Beschädigungen im zweiten Weltkrieg führten dazu, dass die Synagoge im Jahr 1956 abgerissen wurde.

Da das Mahnmal auf dem Privatgrundstück der Krankenkasse liegt, ist es nur werktags zu besichtigen. Allerdings befinden sich in der Zufahrt Gedenktafeln, die immer zugänglich sind.

Wer mit der Web-App von lialo.com auf seinem Smartphone die Tour: Berliner Mauertour aufruft, erfährt auf einem Spaziergang entlang der ehemaligen Mauer nicht nur interessante Details zur Demarkationslinie zwischen Ost- und Westberlin, der kommt auch am Mahnmal zur Synagoge vorbei. Text und Fotos: Klaus Tolkmitt 

Mittwoch, 5. April 2023

Wachturm erinnert an die unmenschliche Grenze

Gedenken an den ersten Mauertoten

Wer zwischen Humboldthafen und Nordhafen ab Invalidenstraße am Spandauer Schifffahrtskanal ein Stück den Mauerweg entlangspaziert, kommt zum historischen Invalidenfriedhof.

Die Anlage gehört zu den ältesten Friedhöfen in Berlin und wird als Zeugnis der preußischen und deutschen Militärgeschichte wie als Erinnerungsstätte an die deutschen Befreiungskriege der Jahre 1813 bis 1815 angesehen.

Zerstörungen gegen Ende des Zweiten Weltkriegs und in der DDR-Zeit, als durch den Friedhof ein Teil der Berliner Mauer lief, haben dazu geführt, dass auf dem großen Gelände nur etwa 230 Gräber erhalten geblieben sind. Ein Förderverein des Friedhofs bemüht sich seit 1992 um Bewahrung und Restaurierung der Anlage und Grabstätten.

Am Ende des Friedhofes erinnert eine Gedenkwand an die DDR-Flüchtlinge, die hier ihr Leben verloren, nur weil sie ihr Land verlassen wollten. Wie unmenschlich die Grenze war, zeigt ein paar Meter weiter an der Kieler Straße der wuchtige Wachturm der DDR-Grenzsoldaten.

Der Turm soll an alle Mauertoten erinnern und speziell an Günter Litfin, der bei einem Fluchtversuch 1961 erschossen wurde. Er gilt als erstes Opfer der Berliner Mauer und erlangte so traurige Berühmtheit. Von Mai bis September ist der Turm am Wochenende zwischen 11 und 17 Uhr geöffnet. Text und Fotos: Klaus Tolkmitt

Montag, 27. März 2023

Ein Ruheplatz für Beamte

Moabiter Gefängnis hatte einen eigenen Friedhof

Moabit I Als man in der Lehrter Straße, unweit des Hauptbahnhofes im Ortsteil Moabit im Bezirk Mitte, 1842 den Friedhof für ein Gefängnis anlegte, konnten sich auch die Vollzugsbeamten schon einen „Ruheplatz“ für später aussuchen. Der „Beamtenfriedhof“ diente als Begräbnisstätte für die Vollzugsbeamten des angrenzenden Gefängnisses Lehrter Straße. Gegenüber lag der Gefangenenfriedhof auf dem sogenannten Anstaltsgartenland.

Die Reste des Friedhofes liegen heute zwischen einer Kleingartenkolonie. Am Gefängnis entstanden damals neben dem zentralen Überwachungsturm, außerhalb der Mauern eine Kirche und Wohnungen für die Beamten und deren Familienangehörige (mit Blick auf den Friedhof).

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Nach dem Abriss des Moabiter Zellengefängnisses war der Anstaltsfriedhof 1958 formell entwidmet worden. Während der Friedhofsteil für die Gefangenen den Kleingärten zugeordnet wurde, wurde der Beamtenfriedhof bewahrt und ist inzwischen in die Berliner Gartendenkmalliste aufgenommen worden. Er wird von einem schlichten, schmiedeeisernen Gitter eingefriedet. Die Grabsteine sind zum Teil verfallen oder von Efeu überwuchert und stehen im Schatten alter Linden- und Ahornbäume, die dem gesamten Areal eine mystische Atmosphäre verleihen. Text und Fotos: Klaus Tolkmitt

Sonntag, 19. März 2023

In Steglitz steht die Wiege der „Wandervögel“

 Wandern ist immer noch ein deutscher Volkssport

Im Steglitzer Stadtpark (zwischen Sedan- und Klingsorstraße) steht ein wenig versteckt unter hohen Bäumen ein Findling zu Ehren der Gründung der Wandervögel 1901.

Es waren hauptsächlich Schüler vom Gymnasium Steglitz und Studenten, unter Anführung von Karl Fischer, die eine Bewegung ins Leben riefen, um der fortschreitenden Industrialisierung in den Städten entgegenzuwirken.

Sie wollten einen Gegenpol setzen und sich von den engen Vorgaben des schulischen und gesellschaftlichen Umfelds lösen, um sich in der freien Natur eine eigene Lebensart zu erfüllen.

Die „Wandervögel“ waren geboren. Sie gaben sich ihren Namen, nachdem ein Gründungsmitglied auf einem Grabstein einen Text entdeckte: "Wer hat euch Wandervögeln / die Wissenschaft geschenkt / dass ihr auf Land und Meeren / die Flügel sicher lenkt...". Mit Klampfe (Gitarre), Wanderschuhen, Mütze und Rucksack ging es in die nächstliegende Natur.

Es war der Beginn einer Jugendbewegung, die auch für Reformpädagogik und Freikörperkultur im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts wichtige Impulse setzte. Die Idee, in der Freizeit gemeinsam "auf Fahrt" zu gehen, fand rasch auch über Steglitz hinaus Verbreitung, und der "Wandervogel" gab einer ganzen Jugendbewegung ihren Namen.

Schon wenige Jahre später hatten sich im Deutschen Reich verschiedene Wandervogel-Bünde gebildet, die sich 1913 zum Wandervogel e.V. mit 25.000 Mitgliedern zusammenschlossen. Mit dem Anwachsen der Bewegung kam es aber auch oft zu abweichenden Leitvorstellungen und Schwerpunkten, die zu vielfältigen Abspaltungen und Neugründungen führten. Umstritten waren Fragen der Mädchenbeteiligung und der Alkohol- und Nikotinabstinenz, über das Outfit und darüber, ob Jungen und Mädchen vereint oder getrennt wandern sollten. Es gab sogar Versuche, in den eigenen Reihen die Homosexualität erfahrbar zu machen, ein zu Beginn des 20. Jahrhunderts geächtetes und strafwürdiges Unterfangen. Gegenüber politischem Einfluss und Vereinnahmung versuchten die Wandervogel-Verantwortlichen meist Neutralität zu wahren.

Der Erste Weltkrieg schuf neue Verhältnisse für die Jugendbewegung. Tausende junge Menschen mussten in den Krieg ziehen.

Ein entscheidender Einschnitt war die nationalsozialistische Auflösung bzw. Zwangseingliederung der Jugendbünde in die Hitlerjugend.

Die nach dem Zweiten Weltkrieg gegründeten Nachfolgeorganisationen tragen das Erbe weiter. Unabhängig von den Wandervogelbündnissen ist das Wandern immer noch ein deutscher Volkssport. Viele Vereine sind im „Verband deutscher Gebirgs- und Wandervereine" zusammengeschlossen, der heute etwa 600.000 Mitglieder umfasst und viele Menschen in Bewegung hält. Text und Foto: Klaus Tolkmitt

Samstag, 11. März 2023

Spektakuläre Skulptur zum Fall der Mauer

Amerikaner schenken den Deutschen ein Pferde-Monument

Berlin-Zehlendorf I Eine riesige Skulptur in der Nähe des Alliiertenmuseums an der Clayallee in Berlin-Zehlendorf soll an den Tag erinnern, an dem in Berlin die Mauer fiel. Der Zusammenbruch der Berliner Mauer am 9. November 1989 war für die amerikanische Künstlerin Veryl Goodnight ein Moment der Freude, die sie mit dieser überdimensionalen Skulptur ausdrücken wollte. 


Die Zusammensetzung des Monuments besteht aus fünf wilden Pferden, die durch Trümmer der eingestürzten Berliner Mauer laufen. Die Skulptur „The Day the Wall Came Down“ ist ein Freundschaftsgeschenk des amerikanischen Volkes an die Menschen in Deutschland und wurde 1998 zum 50. Jahrestag der „Berliner Luftbrücke“ aufgestellt und vom damaligen amerikanischen Präsidenten George Bush eingeweiht.

Für das circa 4 Meter hohe und circa 7,5 Tonnen schwere Memorial hatte die Künstlerin mit ihrem Mann in den USA über eine Million Dollar Spendengelder gesammelt.

Eine Kopie der Skulptur steht im zentralen Innenhof der George Bush Presidential Library, neben dem Campus der Texas A & M University. Sie wurde 1996 geformt und erst im Stone Mountain Park in der Nähe von Atlanta, Georgia, für die Olympischen Spiele installiert, bevor sie auf dem Gelände der College Station ausgestellt wurde.

"Der Tag, an dem die Mauer fiel" handelt nicht von Pferden. Es geht um Freiheit. Und Pferde werden gern von Künstlern benutzt, um Freiheit darzustellen. In diesem Monument symbolisieren die Pferde das persönliche Streben nach Freiheit, das von Menschen aller Nationen geteilt wird. Die Berliner Mauer war eine visuelle Erinnerung an die Unterdrückung, die in vielen Teilen der Welt noch immer herrscht. Veryl Goodnight, Jahrgang 1947, ist Bildhauerin und lebt seit 2006 in Mancos, Colorado. Sie ist bekannt für eine realistische Darstellung von Pferden. 2016 wurde sie in das National Cowgirl Museum und in die Hall of Fame in Fort Worth, Texas, aufgenommen. Text und Fotos: Klaus Tolkmitt

Donnerstag, 2. März 2023

Felsbrocken aus fünf Kontinenten am Platz der Nationen

Granitsteine ersetzen Denkmal

Berlin-Friedrichshain I Warum der Platz zwischen Mollstraße und Landsberger Allee im Berliner Ortsteil Friedrichshain „Platz der Vereinten Nationen" heißt, weiß niemand so recht. Und was nur wenige wissen, 1864 nannte man den Kreuzungsbereich der Nord-Süd-Achse noch Landsberger Platz.

Bekannt sein dürfte er bei vielen Berlinern jedoch als „Leninplatz“. Nach dem Ende des Krieges und der Räumung der Trümmerflächen wurde der Platz 1950 nach dem russischen Revolutionsführer umbenannt. Viel mehr noch, aus Anlass des 100. Geburtstags von Lenin entstand bis 1970 ein völlig neues Stadtquartier mit dem neugestalteten Leninplatz und dem monumentalen Lenin-Denkmal aus poliertem rotem Granit.

Für Lenin war die Diktatur des Proletariats das einzig mögliche demokratische System. Man verehrte ihn unter anderem als Schöpfer des ersten sozialistischen Staates. Aber der sogenannte "Rote Terror" machte Millionen von Menschen zu Opfern. Lenin gelang es nicht, zum Wohle Russlands Gerechtigkeit und Gleichheit einzuführen - so wie es sein ausdrückliches Ziel war. Stattdessen herrschte Gewalt, Chaos, Anarchie und Unterdrückung.

Deshalb gingen nach der deutschen Wiedervereinigung die Meinungen zu Lenins Herrschaft im Kreml weit auseinander. So sehen noch heute überzeugte „Bolschewisten“, die 1991 gegen den Abriss des Denkmals protestierten, Lenin als Helden an. Andere überklebten noch vor dem Abriss die Straßenschilder und ersetzten sie durch die Bezeichnung „Ritter-Runkel-Platz“, um sich über die Diskussionen zur Umbenennung in „Platz der Vereinen Nationen“ lustig zu machen. Ritter Runkel war zu DDR-Zeiten eine beliebte Comic-Figur.

Mag man über den heutigen Namen, der seit März 1992 seine Gültigkeit hat, trefflich streiten, das Lenin-Denkmal ist Geschichte, nur Lenins Kopf ist nach der „Verbannung“ wieder aufgetaucht und ziert eine Ausstellung in der Zitadelle in Spandau.

Seit 1994 liegen stattliche Felsbrocken in einem Brunnen auf dem begrünten Platz, der nach der Organisation der Vereinten Nationen (UNO) benannt wurde. Auf einer Natursteinfläche sind insgesamt 14 große Findlinge platziert, mit einem Gewicht von bis zu 24 Tonnen. Die groben Granitsteine mit Wassersprudel sollen die fünf bewohnten Erdteile darstellen. Kleine Namensschilder verraten, von welchem Kontinent sie stammen und in welchem Land sie gefunden wurden. 

Text und Fotos: Klaus Tolkmitt


Freitag, 24. Februar 2023

Antiker Tempel als Liebesbeweis

Das Mausoleum im Schlosspark Charlottenburg

Während das Schloss Charlottenburg in hellem Glanz erscheint, macht das Mausoleum im nordwestlichen Schlossgarten, versteckt am Ende einer Baumallee, einen dunklen, traurigen Eindruck, ganz dem Anlass entsprechend.

Hier hat König Friedrich Wilhelm III. für seine verstorbene Gemahlin Luise einen kleinen antiken Tempel bauen lassen, um ihrer für immer zu gedenken. Luise von Mecklenburg-Strelitz starb am 19. Juli 1810 im Alter von nur 34 Jahren auf Schloss Hohenzieritz bei Neustrelitz an einer Lungenentzündung. Der Leichnam der im Volk beliebten Königin wurde nach Berlin überführt und erst im Berliner Dom beigesetzt, bis das Mausoleum fertig gestellt war.

Für den Bau wurden Materialien verwendet, die schon vorhanden waren. Säulen aus dem Schloss Oranienburg oder Treppenstufen aus dem Park von Sanssouci. So war es möglich, das Bauwerk in nur fünf Monaten fertigzustellen. Die Altarnische, das Marmorkruzifix und die Bibelsprüche an den Wänden gaben dem Bauwerk den Charakter einer Kapelle. Den Standort im Park, am Ende einer dunklen Tannenallee, hatte Friedrich Wilhelm III. ganz bewusst ausgewählt. Es war einst der Lieblingsplatz seiner Gemahlin.

Bildhauer Christian Daniel Rauch fertigte in Rom und Carrara einen Sarkophag aus Marmor mit einer darauf ruhenden Skulptur Luises. Den Gipsentwurf hatte er vorher im Beisein des Königs in Berlin erstellt. Das Mausoleum entwickelte sich später zu einer Kultstätte für die Verehrung der Königin.

Als Friedrich Wilhelm III. 1840 starb, ließ sein Thronfolger Friedrich Wilhelm IV. das Mausoleum erstmals baulich verändern. Abermals vergrößert wurde der Bau 1888 nach dem Tod Kaiser Wilhelms I. und seiner Gemahlin Augusta 1890, deren Marmorsarkophage sich seit 1894 auch hier befinden. So wurde die Grabstätte der letzte Ort für weitere bedeutende Mitglieder des preußischen Königshauses.

In der unzugänglichen Gruft unter der Gedenkhalle sind die zweite Gemahlin Friedrich Wilhelms III., Fürstin Auguste von Liegnitz und Prinz Albrecht, der jüngste Sohn Luises und Friedrich Wilhelms III., sowie das Herz des in der Potsdamer Friedenskirche beigesetzten Friedrich Wilhelms IV. bestattet worden.

Das Mausoleum ist öffentlich zugänglich, man sollte jedoch die Öffnungszeiten beachten: WINTERSAISON | NOVEMBER BIS MÄRZ   Montag - Sonntag: geschlossen

SOMMERSAISON | APRIL BIS OKTOBER Dienstag - Sonntag: 10:00 - 17:30 Uhr, Montag geschlossen.

Tickets sind vor Ort am Automaten und an den Kassen im Alten Schloss und im Neuen Flügel erhältlich. Preis: 3.00 Euro, ermäßigt: 2.00 Euro.

Wer außerdem einen Spaziergang durch den Schlosspark plant, sollte sich von der kostenlosen Web-App von lialo führen lassen. Man braucht nur sein Smartphone und diesen Link: Schnitzeljagd im Schlosspark Charlottenburg und schon kann es losgehen. Kleine Aufgaben und Rätsel machen aus dem Spaziergang eine Schnitzeljagd, die man am besten mit der Familie oder Freunden unternimmt. 

Text und Fotos: Klaus Tolkmitt

Mittwoch, 1. Februar 2023

Im Tieranatomischen Theater wurden „Rossärzte“ ausgebildet

Das älteste Berliner Lehrgebäude ist heute ein architektonisches Kleinod

Mitten in Berlin, zwischen Invalidenstraße und Reinhardtstraße, und doch ein wenig versteckt im ehemals Gräflich-Preußischen Garten an der Luisenstraße, befindet sich das älteste erhaltene akademische Lehrgebäude Berlins. Das „Tieranatomische Theater“ (TAT), gebaut von Carl Gotthard Langhans, der auch das Brandenburger Tor entwarf, erinnert mit seinen ansteigenden Sitzreihen an ein antikes Amphitheater und gilt als ein Meisterwerk des deutschen Frühklassizismus.


König Friedrich Wilhelm II. hat das architektonische Kleinod im Stil einer italienischen Renaissancevilla 1789 auf dem heutigen Gelände des Campus Nord der Humboldt-Universität bauen lassen. Zur damaligen Zeit trugen Pferdeseuchen zum miserablen Zustand der Preußischen Kavallerie bei. Darum sollten im Tieranatomischen Theater dringend gute „Rossärzte“ ausgebildet werden.

Langhans verknüpfte antike Vorbilder der Rundtempel und Amphitheater zu einer Wissensarchitektur, in deren Zentrum der Hörsaal mit einer ins Erdgeschoss reichenden Hebebühne stand. Mit dieser Hebebühne konnten die Kadaver so großer Tiere wie Pferde in spektakulären Inszenierungen den Studenten vorgeführt werden.

Seit dem Jahr 2012 wird das Tieranatomische Theater (im Berliner Volksmund auch "Trichinentempel" genannt) nach einer siebenjährigen Restaurierung vom Hermann-von-Helmholtz-Zentrum für Kulturtechnik der Humboldt-Universität genutzt und betrieben. Blut wird in Zukunft nicht mehr fließen, denn die Universität möchte das Tieranatomische Theater zukünftig als Ausstellungsraum und Bühne für experimentelle Darstellungsformen und ein Labor für kuratorische Praktiken nutzen. So hat das Tieranatomische Theater bereits mit verschiedenen Berliner Museen und Institutionen, Künstlern und Filmemachern zusammengearbeitet und zahlreiche Performances, Lesungen und Vorträge umgesetzt. Eine ständige Ausstellung widmet sich der 200-jährigen Geschichte des Hauses. Text und Fotos: Klaus Tolkmitt

Montag, 12. Dezember 2022

Der Rathenau-Brunnen im Volkspark Rehberge

Ein Spaziergang zu den Naturdenkmälern in Wedding

Der Volkspark Rehberge bietet auf seinen insgesamt 115 abwechslungsreichen Hektar alles, was erholungssuchende Großstädter von einem Park erwarten: neben großen Wiesen und bewaldeten Parkabschnitten gibt es Sportanlagen, Spielplätze, ein Wildgehege und viel Wasser.

Der Park wurde in den 1920er Jahren als Landschaftspark geplant und umgesetzt. Seitdem dient er zur Erholung und bietet Raum für Spaß und Aktivitäten.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts plante Zoodirektor Carl Hagenbeck aus Hamburg, auf diesem Gebiet einen Ausstellungspark anzulegen. Hier sollten Tiere in einer Landschaft leben, die ihrer eigentlichen Heimat sehr nahekommt. Andere Quellen sprechen dagegen von einer Tier- und Völkerschau mit ähnlichen Darstellungsweisen wie auf der Deutschen Colonial-Ausstellung von 1896 im Treptower Park. Tiere und Menschen aus den damaligen deutschen Kolonien sollten im Park zur Schau gestellt werden. Es kam allerdings nie zur Realisierung, da 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach.

Im Park setzt sich die Dünenlandschaft des Berliner Urstromtals weiter fort und das Gebiet hatte bis in das frühe 19. Jahrhundert einen hohen Bestand an märkischen Kiefern und Traubeneichen.

Auf dem Gelände des heutigen Volksparkes wurde der sandige Aushub des in den Jahren 1848–1859 erbauten Berlin-Spandauer Schifffahrtskanals abgeladen. Später diente der Sand der Rehberge als Sandquelle für die Reinigung der Fußböden der Berliner Wohnungen.

Der sogenannte „Wittensand“, der dafür genutzt wurde, musste erst in Handarbeit unter den darüber liegenden Sandschichten ausgegraben werden und wurde dann mit Hunde- oder Pferdegespannen in die Berliner Innenstadt gebracht, wo ihn Händler an Hausfrauen verkauften.

Nachdem der Baumbestand der Rehberge im Norden Berlins von der frierenden und hungernden Bevölkerung in den kalten Wintern nach dem Ersten Weltkrieg so gut wie abgeholzt worden war, entstand zwischen 1926 und 1929 in der zurückgebliebenen märkischen Sandwüste einer der größten Berliner Volksparks.

Im Rahmen eines Notstandprogramms fanden 1.200 Menschen hier über Jahre eine Arbeit.

Der Volkspark Rehberge wuchs, anders als die meisten seiner Vorgänger, nicht nach gartenarchitektonischen Entwürfen, sondern entlang vorhandener Naturräume. So lassen sich auch gleich mehrere Naturdenkmäler (Findlinge und Bäume) bestaunen.

Mehr Informationen über den Park und Naturdenkmäler in Wedding hält die Web-App von lialo bereit. Einfach den Link anklicken: https://www.lialo.com/de/tour/e027 und schon kann ein abwechslungsreicher Spaziergang starten.

Auf dem höchsten Punkt des Volksparks steht der Rathenaubrunnen. Das ursprüngliche Denkmal von Georg Kolbe für die Brüder Emil und Walther Rathenau wurde 1930 nach langer Planungsphase im Volkspark aufgestellt, nachdem Reichsaußenminister Walter Rathenau 1922 von Rechtsradikalen ermordet wurde.

1934 ließen die Nazis das Denkmal für die jüdischen Brüder entfernen, erst 1987 wurde der Rathenaubrunnen von Bildhauer Harald Haacke wiederhergestellt und eingeweiht.

Der abstrakt gestaltete Brunnen sorgte seinerzeit für Verwirrung und wurde im Volksmund "Steuerschraube" genannt. Die spiralige Form des bronzenen Brunnenkörpers soll aber ein wichtiges Teil einer Turbine symbolisieren, in Anlehnung an die Gründer der AEG, (Allgemeine Elektrizitäts-Gesellschaft) die Brüder Walter und Emil Rathenau.

Wenn mal wieder Schnee in Berlin liegt, beginnt am Brunnen eine lange Rodelbahn durch den Park, der aber auch von Joggern gern genutzt wird, um sich auf den insgesamt 24 Wege-Kilometern auszupowern. Text und Fotos: Klaus Tolkmitt

Dienstag, 6. Dezember 2022

Ein kleiner Ruheplatz zwischen Ost und West

 

Der Alfred-Döblin-Platz

Zum 100. Geburtstag von Alfred Döblin wurde 1978 direkt an der Berliner Mauer ein kleiner Platz eingeweiht, der nach dem Arzt und Schriftsteller benannt wurde. Ein paar Ruhebänke unter schattenspendenden Linden und eine alte Schwengelpumpe sind allerdings schon alles, was diesen kleinen versteckten Ruheplatz auszeichnet. Doch während die Mauer schon seit Jahrzehnten verschwunden ist, hat der Platz die Zeit überlebt.

Wer mit der App von lialo den Mauerweg von Checkpoint Charlie bis zur Oberbaumbrücke abläuft, kommt nicht nur am Alfred-Döblin-Platz vorbei, der erhält auch noch interessante Informationen und Details zur damaligen Demarkationslinie. Mit dem Smartphone und diesem Link: Berliner Mauertour kann die Tour jederzeit gestartet werden. 

Alfred Döblin (1878-1957), der in Kreuzberg und Friedrichshain als Mediziner gearbeitet hat, schrieb 1929 in seinem Roman „Berlin Alexanderplatz“ die Geschichte des Lohnarbeiters Franz Biberkopf auf, der nach seiner Haftentlassung eine neue Existenz aufbauen möchte. Schon 1920 hatte er mit dem historischen Roman Wallenstein ein Meisterwerk verfasst. Döblin gilt als der „bedeutendste Romancier des Expressionismus“.

Vor seiner Kariere als Autor begann er in Berlin das Studium der Medizin, das er 1904 in Freiburg fortsetzte und 1905 mit der Dissertation „Gedächtnisstörungen bei der Korsakoffschen Psychose“ abschloss. Doch schon während seiner Studienzeit verfasste er mehrere Erzählungen, darunter die Novelle „Ermordung einer Butterblume“.

Die erste Anstellung fand Döblin als Assistenzarzt an der damals im ehemaligen Kloster Prüll in Regensburg im Aufbau befindlichen Psychiatrischen Anstalt für Geisteskranke. Von 1906 bis 1908 arbeitete er in der Irrenanstalt Buch in Berlin. Text und Fotos: Klaus Tolkmitt

Donnerstag, 17. November 2022

„Langer Jammer“ erinnert noch heute an den Viehhof

Moderne Wohnungen im ehemaligen Schlachthof

Wer an den alten, sanierten Backsteinbauten im Dreieck Thaerstraße – Eldenaer Straße – Ringbahn in Prenzlauer Berg an der Grenze zur Friedrichshain und Lichtenberg vorbeigeht, vermutet wohl kaum, dass hier mal Rinder und Schweine in Massen gehalten und geschlachtet wurden.

Im Jahr 1827 eröffnete der Gastwirt Klaeger in der Nähe des Landsberger Tores einen Viehmarkt mit Schlachthaus und Ställen für 1000 Rinder, 4000 Schweine und 6000 Hammel. Das war möglich geworden, nachdem als Teil der preußischen Reformen 1810 die Gewerbefreiheit eingeführt wurde.

Bereits 1875 gab etwa 800 private Schlachthäuser in Berlin und Umland. Viele davon schlachteten das Vieh unter sehr schlechten hygienischen Bedingungen und das Fleisch wurde kaum kontrolliert.

Der Virologe Rudolf Virchow schlug 1864 in der Stadtverordnetenversammlung vor, ein von der Stadt Berlin betriebenes, öffentliches Schlachthaus einzurichten, um für die immer weiterwachsende Bevölkerung eine bessere Qualität in der Fleischversorgung zu gewährleisten.

Das war der Start für den späteren Zentralvieh- und Schlachthof auf Basis Virchowscher Hygienevorstellungen und nach Entwürfen von Stadtbaurat Hermann Blankenstein. Am 1. März 1881 wurde der Schlachthof eröffnet.

Nach dem 1. Weltkrieg wurden die Gebäude auf dem Gelände ständig modernisiert. Von 1937 bis 1940 entstand quer über den Viehhof eine etwa 505 Meter lange überdachte und verglaste Fußgängerbrücke, die in einer Höhe von etwa sechs Metern von der Eldenaer Straße zum damaligen S-Bahnhof Zentral-Viehhof (heute Storkower Straße) führte. Im Volksmund hieß diese Brücke Langer Jammer, Langes Elend oder auch Rue de Galopp.

Im Zweiten Weltkrieg entstanden 1945 schwere Schäden durch Luftangriffe. 80 Prozent der Gebäude auf dem Alten Schlachthof wurden zerstört.

Die ersten Instandsetzungsarbeiten setzten gleich nach Kriegsende ein, um die Versorgung der Berliner Bevölkerung wieder aufnehmen zu können. Größere Teile des Geländes dienten jedoch bis 1948 als Kriegsbeutelager für die Rote Armee. Reparationsgüter und Beutekunst wurden hier zwischengelagert, um sie später nach Leningrad zu befördern.

Die DDR machte den Zentralvieh- und Schlachthof zum führenden Betrieb der fleischverarbeitenden Industrie Ost-Berlins und wandelte ihn in einen Volkseigenen Betrieb (VEB) um. In dieser Zeit konzentrierte sich der Betrieb auf dem Gelände des Neuen Schlachthofs zwischen Thaerstraße und Landsberger Allee.

Nach der politischen Wende wurden die Kombinate zunächst privatisiert und ihr Betrieb 1991 schließlich ganz eingestellt. Die Aufgaben wurden vom gerade erweiterten Fleischgroßmarkt im Großmarkt an der Beusselstraße in Moabit übernommen. Das Gelände war daraufhin einige Jahre lang eine Industriebrache.

Neue Planungen sahen vor, auf dem 50 Hektar großen Gelände das neue Stadtquartier „Alter Schlachthof“ entstehen zu lassen. Großflächige Grünanlagen und schrittweise Verwirklichung einer guten Infrastruktur sorgten schließlich dafür, dass das neue Entwicklungsgebiet Alter Schlachthof inzwischen eine gefragte Wohnadresse für Jung und Alt geworden ist.

Im Zentrum des neuen Quartiers befindet sich der große Hermann-Blankenstein-Park, der im Oktober 2004 eröffnet wurde. Er bezieht das eiserne Stützgerüst der Hammelauktionshalle in den Park mit ein. 

Wer in Berlin die Ringbahn nutzt, kommt zwangsläufig auch an der Station "Storkower Straße" vorbei. Mit einem Smartphone und der App von lialo lässt sich ein informativer Spaziergang verbinden. 

Direkt zur Tour geht es hier: Ringbahn-Tour Nord-Ost   Text und Foto: Klaus Tolkmitt

Samstag, 22. Oktober 2022

Claire Waldoffs zuhause waren Varietés und Revuen

Die Chanson- und Liedsängerin mit der kratzbürstigen Stimme

Mitte der 1920er Jahre wird Berlin zur größten Industriestadt Europas. Kunst und Kultur erlebten einen bisher unbekannten Aufschwung. Große Künstler der damaligen Zeit traten entweder im Romanischen Café am Kurfürstendamm auf oder in den zwei größten Varietés Berlins, der Scala und dem Wintergarten. Josephine Baker brachte den Charleston nach Deutschland und die „Dreigroschenoper“ erlebte im Theater am Schiffbauerdamm ihre Uraufführung.

Mittendrin Claire Waldoff, als Clara Wortmann in Gelsenkirchen geboren, stand sie zu dieser Zeit mit der noch unbekannten Marlene Dietrich auf der Bühne.

Besonders erfolgreich wurde sie mit Darbietungen von Chansons, gesungen im Berliner Dialekt, den sie auf Kneipentouren gelernt hatte. Ihr Markenzeichen waren Krawatte, Hemdbluse und bronzeroter Bubikopf und sie rauchte und fluchte auf der Bühne. Ihre wohl berühmtesten Lieder sind: „Wer schmeißt denn da mit Lehm“ und „Hermann heeßta“. Sie trat in Revuen und Operetten auf, sang Soldatenlieder wie auch Volksweisen. Claire Waldoff sang besonders gern Lieder, die Walter und Willi Kollo getextet hatten.

Während ihrer Berliner Zeit lebte sie von 1919 bis 1933 in der Regensburger Straße 33, in der Nähe des Viktoria-Luises-Platzes in Schöneberg.

1903 hatte Claire Waldoff ihre ersten schauspielerischen Engagements im niedersächsischen Bad Pyrmont. 1906 bekam sie ihre ersten kleineren Auftritte in Berlin. 1915 debütierte sie beim Stummfilm, machte aber über drei Jahrzehnte mit der berühmten kratzbürstigen Stimme Karriere als kabarettistische Chanson- und Liedsängerin.

1917 lernte Claire Waldoff Olga von Roeder (1886–1963) kennen, die aus einer US-amerikanischen Schauspielerfamilie stammte. Die beiden standen im Mittelpunkt des lesbischen Nachtlebens im Berlin der 1920er Jahre.

Von 1939 bis zu ihrem Tod lebte sie mit ihrer Lebensgefährtin Olga von Roeder zurückgezogen in Bayerisch Gmain. Die Währungsreform 1948 hatte all ihre Ersparnisse aufgebraucht und sie verarmte, obwohl Im Juli 1951 der Senat von Berlin ihr einen Ehrensold von monatlich 150 D-Mark zukommen ließ. Am 22. Januar 1957 verstarb sie nach einem Schlaganfall.

Claire Waldoff wurde nur 72 Jahre alt. Ihre Urne wurde im Roederschen Familiengrab auf dem Pragfriedhof Stuttgart beigesetzt, wie nach Olgas Tod 1963 auch deren Urne.

Als das Familiengrab zwanzig Jahre später aufgelöst wurde, hat man beide Grabgefäße auf Veranlassung der Stadt Stuttgart in eine gemeinsame Nische in der rechten hinteren Außenmauer des Kolumbariums umgesetzt. Text und Fotos: Klaus Tolkmitt