Der „Eiserne Gustav“ kämpfte gegen den Niedergang des
Droschkengewerbes
Im Berliner Wannsee-Ortsteil Stolpe geht es noch recht
beschaulich zu. Der kleine Ort hat noch seinen dörflichen Charakter behalten
und Berlin scheint weit weg zu sein.
Im alten Wannsee lebte aber ein Berliner, der es zu Weltruhm
gebracht hat. Um sein Haus zu finden, muss man der Chausseestraße folgen und in
die Alsenstraße abbiegen. Ein Stück weiter an der Hausnummer 11 hängt eine
Gedenktafel für den „Eisernen Gustav“ (Gustav Hartmann).
Wie „Pinsel-Heinrich“ (Maler Heinrich Zille) und der
„Hauptmann von Köpenick“ (Schumacher Friedrich Wilhelm Voigt) war auch der
„Eiserne Gustav“ ein Berliner Original, aber kein Berliner: Gustav Hartmann
stammte ursprünglich aus Magdeburg und hatte sich in Stolpe in der Alsenstraße
mit einem Pferde-Fuhrunternehmen selbstständig gemacht.
Er schrieb Geschichte, nachdem er sich für eine Aktion gegen
den Niedergang des Droschkengewerbes und die steigende Zahl von Autos mit
seiner Droschke und dem Wallach Grasmus auf die 1000 Kilometer lange Reise nach
Paris aufmachte. Nach 8 Wochen und zahlreichen begeisterten Empfängen in den
durchreisenden Orten kommt der „Weltenbummler“ am 4. Juni 1928 in Paris an.
Doch in der Seine-Metropole interessierte sich die Öffentlichkeit jedoch nicht
für ihn, sondern für Charles Lindbergh, der gerade seinen ersten Flug über den
Atlantik beendet hatte.
Zu seinen besten Geschäftszeiten verfügt Hartmann über zwei
Kutschen, zwei Landauer, einen Kremser, einen Arbeitswagen, einen Möbelwagen
und Pferdeschlitten. Er selbst stand jeden Tag bei Wind und Wetter mit einer
Droschke am Bahnhof Wannsee und wartet auf Kunden. Hartmann hatte sein
Fuhrunternehmen 1885 gegründet, doch 1928 zurzeit der Weltwirtschaftskrise
konnte er als Droschkenkutscher seine Familie nicht mehr ernähren. Automobile
Taxen werden von den Kunden bevorzugt.
Vor seiner Frau verheimlicht er diese Situation, indem er
sich Geld leiht. Als Sicherheit verpfändet er das Grundstück und das Wohnhaus.
Durch Zufall erfährt seine Familie davon und will ihn für unzurechnungsfähig
erklären lassen. Nach einer Vorladung vor Gericht verlässt er mit seiner
Droschke die Stadt ohne bestimmtes Ziel.
Ein Zeitungsreporter kann ihn aufspüren und verspricht ihm
500,- Mark für eine Fahrt nach Paris. Gustav Hartmann geht dann tatsächlich am
2. April 1928 mit seiner Droschke auf die Reise und wird vom Reporter Hans
Hermann Theobald begleitet, der so zu einer außergewöhnlichen Story kommt.
Noch gezeichnet von seinem Misserfolg in Paris, wird
Hartmann nach seiner Rückkehr aber von den Berlinern begeistert empfangen. Er
versöhnt sich mit seiner Familie und beschließt, das auf der Reise erworbene
Geld in eine „Automobilwerkstatt mit Tankstelle“ zu investieren. Durch seine
Reise berühmt geworden, gründet der „Eiserne Gustav“ eine Stiftung für die
Hinterbliebenen von – bei der Ausübung ihres Berufes – zu Tode gekommenen
Taxifahrern (Gustav-Hartmann-Stiftung).
Seine Geschichte nahm Hans Fallada zum Anlass, einen Roman
zu schreiben und mit Heinz Rühmann wurde die Geschichte vom Eisernen Gustav
verfilmt. Später gab es mit Gustav Knuth noch eine siebenteilige Fernsehserie.
Gustav Hartmann wurde auf dem Alten Friedhof Wannsee beigesetzt.
Während in der Alsenstraße eine Gedenktafel an das „Berliner
Original“ erinnert, muss man sein Denkmal ein bisschen suchen. Es steht auf der
Mittelinsel (oftmals von Büschen versteckt) der breiten Bundesstraße 1 im
Bezirk Tiergarten an der Kreuzung der Potsdamer Straße mit dem Landwehrkanal.
Text und Foto: Klaus Tolkmitt