Berliner Volksmund: Warum das ICC „Alu-Monster“ heißt – und das Abgeordnetenhaus zum „Abgetrocknetenhaus“ wurde.
Berolinismen – Die einzigartige Sprachkultur der Hauptstadt.
Der Berliner Volksmund ist berühmt für seine humorvollen,
manchmal bissigen, aber immer liebevollen Spitznamen. Diese sogenannten
Berolinismen oder Berlinismen gehören fest zur Identität der Stadt. Sie
beschreiben Gebäude, Orte oder Gewohnheiten auf eine Weise, die nur
Berlinerinnen und Berliner so treffend formulieren können.
Einige dieser Ausdrücke haben längst Kultstatus erreicht,
andere sorgen bis heute für Diskussionen: Sind sie wirklich im Alltag
entstanden – oder wurden sie eher von Stadtführern und Reiseführern populär
gemacht? Zwei der bekanntesten Beispiele sind das Alu-Monster und das
Abgetrocknetenhaus.
Das „Alu-Monster“ – Das ICC Berlin und seine futuristische Aura
Ein High-Tech-Gigant der Nachkriegszeit
Das Internationale
Congress Centrum Berlin (ICC) im Ortsteil Westend zählt zu den
bedeutendsten Bauwerken der deutschen Nachkriegsarchitektur. Mit seinen
beeindruckenden Dimensionen – 313 Meter Länge, 89 Meter Breite und fast 40
Meter Höhe – war es eines der größten Kongresshäuser der Welt.
Eröffnet wurde das ICC am 2. April 1979, entworfen von den
Berliner Architekten Ralf Schüler und Ursulina Schüler-Witte. Die markante
silbergraue Aluminium-Fassade im Stil der High-Tech-Architektur prägt das
Erscheinungsbild bis heute.
Warum nennen es die Berliner „Alu-Monster“
Der Spitzname kommt nicht von ungefähr:
*Die metallische Außenhaut
*Die wuchtige, fast raumschiffartige Form
*Die futuristische Anmutung
All das führte dazu, dass Berliner das ICC liebevoll Alu-Monster,
Raumschiff oder Panzerkreuzer Charlottenburg tauften.
Teuer, technisch verschlissen und ohne klare Zukunft
Mit Baukosten von über 924 Millionen Mark (heute rund 1,064
Milliarden Euro) war das ICC der teuerste Bau West-Berlins. Heute gilt es als
technisch verschlissen, und seine Zukunft ist seit Jahren unklar. Ein Abriss
wurde diskutiert, aber politisch weitgehend abgelehnt.
Die letzte öffentliche Veranstaltung fand am 9. März 2014
statt, kurz darauf wurde das Gebäude geschlossen. Eigentümer ist das Land
Berlin.
Das „Abgetrocknetenhaus“ – Berliner Humor trifft
politische Geschichte
Vom Preußischen Landtag zum Berliner Abgeordnetenhaus
Das heutige Abgeordnetenhaus von Berlin in der Niederkirchnerstraße trägt im Volksmund den scherzhaften Namen Abgetrocknetenhaus – ein typisches Beispiel für Berliner Wortwitz.
Das Gebäude selbst hat eine bewegte Geschichte:
*Ursprünglich Sitz der Zweiten Kammer des Preußischen
Landtags
*Erbaut im Stil der italienischen Hochrenaissance
*Eröffnet am 16. Januar 1899
Gegenüber liegt der bekannte Martin-Gropius-Bau, was
die Lage zusätzlich historisch aufwertet.
Schauplatz politischer Wendepunkte
Das Gebäude war Zeuge zentraler Ereignisse deutscher
Geschichte:
*1918/19: Der 1. Reichsrätekongress tagt hier und ebnet den
Weg zur parlamentarischen Demokratie.
*1918: Im Festsaal wird die KPD gegründet.
*1933: Die Nationalsozialisten übernehmen die Mehrheit; die
letzte Sitzung des Preußischen Landtags findet statt.
*1934: Gründung des Volksgerichtshofs im Plenarsaal.
*1936–1945: Umbau zum „Haus der Flieger“, Nutzung als
Offizierskasino.
*Nach 1945: Sitz der ersten DDR-Regierung, später
Abhörstandort der Stasi.
Rückkehr zur Demokratie
Nach der Wiedervereinigung beschloss das Berliner Abgeordnetenhaus 1990 einstimmig, seinen Sitz wieder in das historische Gebäude zu verlegen. Heute zählt der Komplex zu den bedeutendsten Parlamentsbauten Deutschlands.
Ob Alu-Monster oder Abgetrocknetenhaus – Berolinismen
sind mehr als nur humorvolle Bezeichnungen. Sie spiegeln die Beziehung der
Berliner zu ihrer Stadt wider: direkt, ironisch, liebevoll und immer mit einem
Augenzwinkern. Gleichzeitig erzählen sie viel über die Architektur- und
Zeitgeschichte Berlins. Text und Fotos: Klaus Tolkmitt
So kommt
man zum Alu-Monster So kommt man zum
Abgetrocknetenhaus



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