Hinter Mauern der Macht
Das „Städtchen“ im Majakowskiring
Berlin-Pankow I Wer heute durch den Majakowskiring im Ortsteil Niederschönhausen spaziert, ahnt kaum, dass sich hinter den Gründerzeitvillen einst das Herz der DDR-Machtelite verbarg. Das abgeschirmte Wohnviertel war jahrzehntelang das Zuhause der höchsten Funktionäre der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED). Ein Ort, der Geschichte atmet – und bis heute seine reservierte Eleganz bewahrt hat.
Vom Industriellenviertel zur Polit-Enklave
Nach dem Zweiten Weltkrieg erklärte die sowjetische
Besatzungsmacht das Gebiet rund um den Majakowskiring zum Sperrgebiet. Auf
Passierscheinen wurde es schlicht als „Städtchen“ bezeichnet. Die Villen, einst
von Industriellen bewohnt, wurden beschlagnahmt und teilweise enteignet. Ab
1949 übernahm die SED das Areal und wandelte es in ein exklusives Wohngebiet
für die DDR-Führung um.
Seit 1950 trägt die Straße den Namen des russischen Dichters
Wladimir Majakowski – ein symbolischer Akt, der die ideologische Nähe zur
Sowjetunion unterstreichen sollte.
Wer hier wohnte, lenkte die DDR
Die Liste der Bewohner liest sich wie ein politisches „Who’s
Who“ der DDR:
Name Hausnummer
Wilhelm Pieck Nr.
29
Otto Grotewohl Nr.
46/48
Walter Ulbricht Nr.
28/30
Willi Stoph Nr.
64
Erich & Margot Honecker Nr.
14
Günter Schabowski Nr.
63
Kurt Hager Nr. 55
Horst Sindermann Nr.
5/21/55a
Johannes R. Becher Nr.
34
Und wer sich fragt, wo Erich Mielke, der gefürchtete Minister für Staatssicherheit, residierte: Seine Adresse lautete Stille Straße 10 – nur einen Steinwurf entfernt.
Ein Mikrokosmos mit eigener Infrastruktur
Das „Städtchen“ war nicht nur Wohnort, sondern auch autarke
Versorgungsinsel. Zwei HO-Läden, ein Friseursalon, ein Schneider und ein
Kindergarten für die Funktionärskinder sorgten für Komfort. Walter Ulbricht
ließ sogar einen Tennisplatz errichten – ganz im Sinne seiner sportlichen
Leidenschaft.
Eine Mauer trennte die Bewohner vom Rest der Welt. Selbst nach dem Umzug der Politspitze nach Wandlitz im Jahr 1960 blieb diese Abgrenzung bestehen.
Heute: Biederkeit mit Geschichte
Trotz einiger Neubauten hat sich der Majakowskiring seinen
zurückhaltenden Charme bewahrt. Die Villen erzählen noch immer von einer Zeit,
in der Macht hinter Mauern wohnte.
Wer tiefer eintauchen möchte, kann mit der App von lialo
eine digitale Tour durch Pankow unternehmen – inklusive Besuch des
„Städtchens“.
Link zur Tour: Pankow –
Vom Dorf zur Residenzidenz
📸 Text und Fotos: Klaus Tolkmitt
Hier der Weg zum Majakowskiring
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