Die „fliegenden Kisten“ aus Johannisthal
Der Motorflugplatz Johannisthal-Adlershof wurde 1909 vor den
Toren Berlins eröffnet und erfreute sich schon bald großer Beliebtheit. Es
entstanden Luftschiffhallen für Zeppeline und Motorflieger, die auf dem Gelände
Schauveranstaltungen und Flugwettbewerbe durchführten, um das private
Unternehmen zu finanzieren. Allein auf der überdachten Haupttribüne fanden über
2000 Besucher Platz und auf einer weiteren, offenen Tribüne noch einmal 1700.
In Johannisthal versammelten sich die Flugpioniere, um ihre
teilweise skurrilen Konstruktionen zu testen und vorzuführen. Bekannt geworden
ist beispielsweise Melli Beese, die erste Frau, die in Deutschland die Prüfung
zum Erwerb eines Privatpilotenscheins ablegte und nach der in der Nähe des
Flughafens eine Grundschule und eine Straße benannt sind.
1909 endete der erste Überlandflug über Deutschland in
Johannisthal, als Hubert Latham seine Maschine zum „Konkurrenz-Fliegen“ überführte.
Der erste Deutschlandflug wurde am 11. Juni 1911 vom Flugplatz Johannisthal aus
gestartet. Der erste Dauerflug über mehr als 24 Stunden wurde vom 10. bis 11.
Juli 1914 vom Albatros-Werkspiloten Reinhold Böhm durchgeführt. Es sollen hunderttausende
Zuschauer gewesen sein, die im Oktober 1913 zum Flugplatz Johannisthal strömten,
um bei den abenteuerlichen Flugvorführungen des französischen Starpiloten
Adolphe Pégoud dabei zu sein.
Leider gab es auch spektakuläre Unfälle auf dem Flugfeld. Am
29. September 1911 verunglückte hier der Luftfahrtpionier Paul Engelhard
tödlich und am 17. Oktober 1913 fing der Marine-Zeppelin LZ 18 Feuer und 28
Menschen kamen ums Leben.
Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges wurde der Flugplatz militärisch
genutzt und die industrielle Fertigung von Aufklärungs- und Kampfflugzeugen
vorangetrieben.
Während des Krieges galt Johannisthal als
Flugzeug-Erprobungsstelle für Jagdflugzeuge, bei denen die besten Piloten der
Front die neuen Baumuster testeten. Unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg
begann in Johannisthal am 5. Februar 1919 die Geschichte der zivilen Luftpost
in Deutschland.
Als 1923 der Flughafen Tempelhof eröffnete, nahm die zivile
Bedeutung des Flugplatzes stark ab. Im Dritten Reich wurde Johannisthal hauptsächlich
als Versuchsfeld für die geheime Aufrüstung der Wehrmacht genutzt. Zu
DDR-Zeiten nutzte man das Areal bis in die 1980er Jahre hinein militärisch.
Nach der Wende verlor der Flugplatz weiter an Bedeutung und wurde 1995 offiziell
geschlossen.
Im Kernbereich werden rund 26 Hektar des ehemaligen
Flugfeldes seit 2003 als Naturschutzgebiet ausgewiesen. Dem Landschaftspark sieht
man seine Vergangenheit kaum noch an. Statt Flugzeuge landen Schmetterline,
Bienen und Vögel auf den geschützten Pflanzen.
Um das Naturschutzgebiet herum führt ein teilweise erhöhter
Wanderweg, der einen freien Ausblick auf das naturbelassene Areal bietet und die
Möglichkeit gibt, zu den Grünflächen für Sport, Spiel und Freizeit zur gelangen.
Text und Fotos: Klaus Tolkmitt