Freitag, 29. Dezember 2023

Der ungekrönte „König von Kreuzberg“

Ein Spaziergang durch die Mühlenhaupt-Höfe im Bergmannstraßen-Kiez

Wer vor 2019 durch den Bergmannstraßen-Kiez im Berliner Bezirk Kreuzberg spaziert ist, wird die Mühlenhaupt-Höfe in der Fidicinstraße 40 noch nicht kennen. Auf dem Gelände einer früheren Brauerei befindet sich hier als Teil eines Künstlerhofes mit Ateliers, Werkstätten, Proberäumen und Theatern das Kurt Mühlenhaupt Museum.

In einer Dauerausstellung wird in einem Querschnitt die künstlerische Arbeit von Kurt Mühlenhaupt gezeigt. Mühlenhaupt, 1921 in Klein Ziescht im Kreis Jüterbog-Luckenwalde geboren und am 16. April 2006 in Zehdenick, Ortsteil Bergsdorf verstorben, war ein Berliner Original und Künstler, dessen Skulpturen und Bilder viele Menschen in der Berliner Kunstszene inspiriert haben. Als Maler, Bildhauer und Schriftsteller war er bekannt für seine humorvollen und satirischen Darstellungen des Berliner Lebens.

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Er galt als Kreuzberger Milieu-Maler und gehörte zu der 1972 gegründeten Gruppe der Berliner Malerpoeten, einer Gemeinschaft von malenden Schriftstellern wie Günter Grass, Aldona Gustas, Artur Märchen, Nepomuk Ullmann und Wolfdietrich Schnurre.

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Seine bevorzugten Motive waren Porträts von Menschen aus dem Arbeitermilieu. Er porträtierte mit Vorliebe die Welt der "kleinen Leute": Arbeiter, Tiere, Stadtpanoramen, Kinder, Hausfrauen, Bauern und Landschaften.

Als zeitweiliger Trödelhändler und Gastwirt war Mühlenhaupt selbst Teil des Milieus, das er so treffend und emphatisch schilderte. Zu entdecken sind im Museum aber auch seine Brandenburger Landschaften, Aquarelle aus Italien und Portugal, Plakate aus der Zeit der „Kreuzberger Bohème“ oder seine Kinderbücher. Als ungekrönter „König von Kreuzberg“ war er bekannt und populär wie Bubi Scholz oder Harald Juhnke.

Mit seiner Künstlerkneipe Leierkasten in der Zossener Straße, in der unter anderem Gerhard Kerfin, Ingo Insterburg, Lothar Klünner und Johannes Schenk Texte und Lieder vortrugen, Manfred Beelke, Artur Märchen und Pit Morell ausstellten, machte er ebenso Furore wie mit seinen „Biertrinkerblättern“.

Berlin-Kreuzberg wurde in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts in West-Berlin zum Inbegriff einer Alternativkultur, die sich vom offiziellen Kulturbetrieb am Kurfürstendamm und seiner Umgebung abhob. Kunst und Alltags-Leben sowie auch die Kunstsparten untereinander gingen eine enge Verbindung ein.

Die behutsam sanierten Gebäude und die liebevolle Gestaltung der urigen Hinterhöfe machen den Ort heute zu einem Kleinod in der pulsierenden Großstadt.

Das Kurt Mühlenhaupt Museum befand sich 20 Jahre im brandenburgischen Bergsdorf, bevor es 2019 nach Berlin zog. Im malerischen Hof erzählen 10 Bildtafeln an den Backsteinwänden und eine Filmstation vom Leben des Künstlers. Ein Audioguide führt auf seinen Spuren durch Kreuzberg.

Die Flächen sollen in den kommenden Jahren vergrößert und Aktivitäten, wie Ausstellungen und das Veranstaltungsprogramm, erweitert werden. Text und Fotos: Klaus Tolkmitt

Mittwoch, 22. November 2023

Der Lietzensee mit seinen stattlichen Platanen

 Wie der See zu seinem Namen kommt

Mit seinem weitläufigen Park ist der Lietzensee in Witzleben im Berliner Bezirk Charlottenburg/Wilmersdorf ein beliebter Freizeitpark, der zum Verweilen und Entspannen einlädt.

Der Name Lietzensee stammt vom Dorf Lietzow ab, das im Jahr 1719 in die damalige Stadt Charlottenburg eingemeindet wurde. Es gehörte zum Benediktinerinnenkloster St. Marien und wurde von den Nonnen als Fischteich genutzt.

Die Worte Lietzow, Lützow, Lusce u. ä. werden aus dem slawischen Wort Luccina hergeleitet, was so viel heißt wie Sumpf oder Lache.

Oft wird der Name auch auf die alte Berliner Bezeichnung Lietze für das Blässhuhn zurückgeführt. So findet sich im Organ der Deutschen Ornithologen-Gesellschaft von 1855 der Eintrag: „Fulica atra, Blassente, Lietze. (So heißt ein See bei Charlottenburg, auf dem dieser Vogel häufig zu finden ist).

Eine Sage liefert noch eine weitere Erklärung für die Bezeichnung Lietzensee. So soll im See das Dorf Lützow versunken sein. Der Grund für den Untergang sei nicht bekannt, aber manchmal stießen die Fischer mit ihren Booten mitten auf dem See an die versunkene Kirchturmspitze oder ihre Netze verfingen sich daran.

Deshalb eigne sich das Gewässer bis heute auch nicht zum Fischen.

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Auffällig sind bei einem Spaziergang die zahlreichen stattlichen Bäume, die das Ufer säumen und im Sommer für reichlich Schatten sorgen.

Ein besonderes Exemplar ist die ahornblättrige Platane, die auch Bastard-Platane oder gewöhnliche Platane genannt wird.

Sie ist um 1650 durch eine Kreuzung aus der amerikanischen Platane (Platanus occidentalis) und der morgenländischen Platane (Platanus orientalis) entstanden. Dieser „Bastard“ mit seinen festen, ledrigen Blättern ist sehr anpassungsfähig und frostfest und daher weit verbreitet.

Im Gegensatz zur Eiche, auf der viele Tiere Nahrung finden, bietet die Platane der heimischen Tierwelt wenig Abwechselung.

Ein gutes Erkennungszeichen sind der starke Stamm mit der glatten Rinde und die gestielten Kugelfrüchte, die bis in den Winter hinein an den Zweigen hängen.

Die ahornblättrige Platane wächst als sommergrüner Baum und erreicht eine Wuchshöhe von bis zu 45 Metern. Es sind über 300 Jahre alte Exemplare bekannt, die noch immer wuchskräftig sind. Die Baumkrone wird bei älteren Exemplaren hoch und breit.

Der Baum toleriert verschmutzte Luft, reinigt diese und gilt als unempfindlich gegenüber verdichteten Böden. In vielen Ländern mit gemäßigtem Klima ist sie deshalb ein sehr beliebter Straßenbaum. Text und Fotos: Klaus Tolkmitt

Dienstag, 7. November 2023

Die Bummelmeile in Friedrichshagen

Friedrich der Große steht wieder auf dem Marktplatz

Berlin-Friedrichshagen I Eine Einkaufs-Mall oder ein Shopping-Center sucht man hier vergebens, dennoch lässt sich auf der Bölschestraße in Berlin-Friedrichshagen hervorragend flanieren. Der gut ein Kilometer lange „Boulevard des Ostens“ zwischen dem S-Bahnhof und dem Müggelsee bietet neben kleinen schmucken Einkaufsläden und beliebten Restaurants Zeugnisse der Vergangenheit.

Friedrichshagen war einst ein Kolonisten- und Feinwollspinnerdorf, das im 18. Jahrhundert von Friedrich II gegründet wurde. Baumwollspinner aus Schlesien und Böhmen fanden in Friedrichshagen eine neue Heimat und betrieben Baumwollspinnereien und Seidenraupenzucht.

Die Bölschestraße leitet ihren Namen vom Schriftsteller Wilhelm Bölsche ab. Bölsche zu Ehren sind ein Berggrat im Riesengebirge, eine Insel in Spitzbergen, eine Schule in Berlin sowie Straßen in etlichen deutschen Städten benannt worden, darunter auch die Bölschestraße in Friedrichshagen.

Ursprünglich hieß die Straße Dorfstraße und war mit Kolonistenhäusern bebaut. Leider sind sie im Originalzustand nicht mehr erhalten. An einigen Häusern kann man allerdings die damalige Zeit noch erahnen.

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Auf dem Platz stand bis 1945 einst eine Bronzefigur von Friedrich dem Großen. Danach war die Statue verschwunden. Erst 2003 konnte durch Spendengelder eine Nachbildung geschaffen werden, die nun den historischen Platz ziert.

Gegenüber steht auf dem „Rondel“ die Christophoruskirche, die 1903 unter der Schirmherrschaft der Deutschen Kaiserin im Stil der märkischen Backsteingotik errichtet wurde.

Leider sind um den Marktplatz herum einige sanierungsbedürftige Häuser in den 60er Jahren abgerissen und durch neue Bauten ersetzt worden.

An der Einmündung der Bölschestraße zum Müggelseedamm erinnert das stillgelegte Betriebsgelände der Berliner Bürgerbräu an die letzte private und älteste Brauerei Berlins.

Auf dem Weg zurück zur S-Bahn fällt auf der beliebten Bummelmeile das Haus 12a besonders ins Blickfeld. Es ist ebenfalls ein ehemaliges Kolonistenhaus und heute ein kleines Schmuckstück, das liebevoll restauriert wurde. Text und Fotos: Klaus Tolkmitt

Donnerstag, 19. Oktober 2023

Die Gründungsväter der Germanistik lebten in Berlin

 Jacob und Wilhelm Grimm sammelten nicht nur Märchen

Wer kennt sie nicht, die Märchensammlungen der Brüder Grimm. Mit ihren gesammelten Werken volkstümlicher Kinder- und Hausmärchen sind sie in die deutsche Geschichte eingegangen.

Doch die Vita der Brüder, die aus einer Beamten- und Pastorenfamilie stammen und am 4. Januar 1785 bzw. 24. Februar 1786 in Hanau geboren wurden, zeigt noch eine andere Seite ihres Lebens.

Die von Jacob und Wilhelm Grimm auf Veranlassung von Achim von Arnim und Clemens Brentano gesammelten Märchen entstanden nicht aus ihrer eigenen Fantasie, sondern wurden nach alten, vorwiegend mündlich überlieferten Geschichten von ihnen gesammelt und zusammengetragen und mehr oder minder stark überarbeitet. Eine ihrer wichtigsten Quellen waren die Märchen, die die aus hugenottischer Familie stammende Dorothea Viehmann den Brüdern erzählte. Sie waren ursprünglich nicht nur für Kinder gedacht, sondern entstanden vor allem aus volkskundlichem Interesse und erhielten entsprechende märchenkundliche Kommentare. Wilhelm Grimms sprachliche Überarbeitungen schufen daraus einen Buchmärchenstil, der bis heute das Bild von Märchen prägt.

Die Brüder waren Sprachwissenschaftler und Volkskundler. Sie gelten gemeinsam mit Karl Lachmann und Georg Friedrich Benecke als „Gründungsväter“ der Germanistik. Im Alter von 30 Jahren hatten sich Jacob und Wilhelm Grimm durch ihre zahlreichen Publikationen bereits eine herausragende Stellung erarbeitet, die im Jahr 1819 von der Universität in Marburg mit einer Ehrendoktorwürde honoriert wurden. 1838 begannen Jacob und Wilhelm Grimm ihre gemeinsame Arbeit am Deutschen Wörterbuch.

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1840 holte sie der neue preußische König Friedrich Wilhelm IV unmittelbar nach seiner Amtsübernahme nach Berlin. Rund 20 Jahre lang lebten sie in Berlin, nunmehr unbelastet von finanziellen Ungewissheiten. In Akademieabhandlungen, die sie in dieser Zeitspanne verfassten, ist viel Lesenswertes über ihre Forschungen, ihre Interessen und ihre liberalen politischen Ansichten zu finden. Auch die Geschichte der deutschen Sprache entstand in dieser Zeit – ein erster Versuch, Sprachgeschichte mit Sozialgeschichte zu verknüpfen.

Wilhelm Grimm verstarb 1859, sein Bruder Jacob 1863. Viele Institutionen in ganz Europa waren stolz, dass sie sie zu ihren (Ehren-)Mitgliedern zählen konnten. 

Auch im Tod sind sie beisammen.  Sie liegen auf dem Alten St.-Matthäus-Kirchhof in Berlin-Schöneberg. Die Grabstätte gehört zu den Ehrengräbern des Landes Berlin. Text und Fotos: Klaus Tolkmitt

Freitag, 6. Oktober 2023

Berlin – Hauptstadt der Bären

Der Zoo Berlin nimmt drei Braunbären auf

Vom Wappen bis zum Gullydeckel, wo immer man in Berlin auch hinschaut, der Bär gehört zur Stadt, wie der „Lange Lulatsch“ oder der Fernsehturm.

Braunbär Momoa Orsa Rovdjurspark
Der Braunbär, ein Berliner Original kehrt nun in den Zoo zurück. Nach sieben Jahren Abwesenheit ziehen wieder Europäische Braunbären in den Zoo ein. Die Tiere stammen aus dem schwedischen Raubtierpark Orsa, der demnächst seine Tore schließen wird.

Im Rahmen des Europäischen Erhaltungszuchtprogrammes wurde Berlin als neue Heimat der Bären gewählt. Aktuell gewöhnen sich die drei Bärenbrüder Lucifer, Lillebor und Momoa (jeweils 4 Jahre alt) an ihr neues Revier und ihre Nachbarn, die Europäischen Wölfe. Spätestens mit Beginn der Berliner Herbstferien sollen die Braunbären auch für die Zoo-Besucher*innen zu sehen sein.

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An einem extra gebauten Honigbaum werden die Bären außerdem mehrmals täglich süßen Saft finden. Obwohl Braunbären zu den großen Raubtieren zählen, ernähren sie sich die meiste Zeit des Jahres vegetarisch und fressen vorwiegend Beeren, Früchte, Wurzeln, Gräser und Kräuter.

Braunbären gelten in weiten Teilen ihres europäischen Verbreitungsgebiets aufgrund von Jagd und Lebensraumzerstörung als ausgestorben. Auch in Deutschland gelten Bären seit über 150 Jahren als ausgerottet, auch wenn in den Grenzgebieten immer mal wieder Braunbären gesichtet werden.

In anderen europäischen Nachbarländern wie Italien, Österreich und Frankreich haben sich Braunbären mittlerweile wieder angesiedelt.

Braunbär Lillebor Orsa Rovdjurspark
"Bären spielen im Ökosystem eine wichtige Rolle, sie verbreiten verschiedenste Samen und sorgen durch das Fressen von Aas und kranken Tieren für die Gesundheit des Ökosystems", erklärt Biologe Christian Kern. "Mit der Rückkehr des Bären in Europa geht jedoch auch ein großes Konfliktpotential einher. In unserer neuen Ausstellung möchten wir daher gezielt für Bären faszinieren und gleichzeitig für ein friedliches Zusammenleben von Menschen und Bären in Europa werben“.

Der Zoo Berlin begleitet den Einzug der Bären mit einer interaktiven Ausstellung über den Braunbären und dessen Lebensraum. Neben spielerischen Angeboten, wie zum Beispiel die Winterruhe, wird auch auf die Konflikte eingegangen, die entstehen können, wenn Mensch und Braunbär aufeinandertreffen.

"Der Braunbär hat als Wahrzeichen unserer Stadt nicht nur in den Herzen der Berliner*innen einen festen Platz, sondern nun auch wieder im Zoo Berlin ein Zuhause", freut sich Dr. Andreas Knieriem, Direktor von Zoo und Tierpark Berlin. Text: Klaus Tolkmitt © 2023 Zoo Berlin