Donnerstag, 2. März 2023

Felsbrocken aus fünf Kontinenten am Platz der Nationen

Granitsteine ersetzen Denkmal

Berlin-Friedrichshain I Warum der Platz zwischen Mollstraße und Landsberger Allee im Berliner Ortsteil Friedrichshain „Platz der Vereinten Nationen" heißt, weiß niemand so recht. Und was nur wenige wissen, 1864 nannte man den Kreuzungsbereich der Nord-Süd-Achse noch Landsberger Platz.

Bekannt sein dürfte er bei vielen Berlinern jedoch als „Leninplatz“. Nach dem Ende des Krieges und der Räumung der Trümmerflächen wurde der Platz 1950 nach dem russischen Revolutionsführer umbenannt. Viel mehr noch, aus Anlass des 100. Geburtstags von Lenin entstand bis 1970 ein völlig neues Stadtquartier mit dem neugestalteten Leninplatz und dem monumentalen Lenin-Denkmal aus poliertem rotem Granit.

Für Lenin war die Diktatur des Proletariats das einzig mögliche demokratische System. Man verehrte ihn unter anderem als Schöpfer des ersten sozialistischen Staates. Aber der sogenannte "Rote Terror" machte Millionen von Menschen zu Opfern. Lenin gelang es nicht, zum Wohle Russlands Gerechtigkeit und Gleichheit einzuführen - so wie es sein ausdrückliches Ziel war. Stattdessen herrschte Gewalt, Chaos, Anarchie und Unterdrückung.

Deshalb gingen nach der deutschen Wiedervereinigung die Meinungen zu Lenins Herrschaft im Kreml weit auseinander. So sehen noch heute überzeugte „Bolschewisten“, die 1991 gegen den Abriss des Denkmals protestierten, Lenin als Helden an. Andere überklebten noch vor dem Abriss die Straßenschilder und ersetzten sie durch die Bezeichnung „Ritter-Runkel-Platz“, um sich über die Diskussionen zur Umbenennung in „Platz der Vereinen Nationen“ lustig zu machen. Ritter Runkel war zu DDR-Zeiten eine beliebte Comic-Figur.

Mag man über den heutigen Namen, der seit März 1992 seine Gültigkeit hat, trefflich streiten, das Lenin-Denkmal ist Geschichte, nur Lenins Kopf ist nach der „Verbannung“ wieder aufgetaucht und ziert eine Ausstellung in der Zitadelle in Spandau.

Seit 1994 liegen stattliche Felsbrocken in einem Brunnen auf dem begrünten Platz, der nach der Organisation der Vereinten Nationen (UNO) benannt wurde. Auf einer Natursteinfläche sind insgesamt 14 große Findlinge platziert, mit einem Gewicht von bis zu 24 Tonnen. Die groben Granitsteine mit Wassersprudel sollen die fünf bewohnten Erdteile darstellen. Kleine Namensschilder verraten, von welchem Kontinent sie stammen und in welchem Land sie gefunden wurden. 

Text und Fotos: Klaus Tolkmitt


Freitag, 24. Februar 2023

Antiker Tempel als Liebesbeweis

Das Mausoleum im Schlosspark Charlottenburg

Während das Schloss Charlottenburg in hellem Glanz erscheint, macht das Mausoleum im nordwestlichen Schlossgarten, versteckt am Ende einer Baumallee, einen dunklen, traurigen Eindruck, ganz dem Anlass entsprechend.

Hier hat König Friedrich Wilhelm III. für seine verstorbene Gemahlin Luise einen kleinen antiken Tempel bauen lassen, um ihrer für immer zu gedenken. Luise von Mecklenburg-Strelitz starb am 19. Juli 1810 im Alter von nur 34 Jahren auf Schloss Hohenzieritz bei Neustrelitz an einer Lungenentzündung. Der Leichnam der im Volk beliebten Königin wurde nach Berlin überführt und erst im Berliner Dom beigesetzt, bis das Mausoleum fertig gestellt war.

Für den Bau wurden Materialien verwendet, die schon vorhanden waren. Säulen aus dem Schloss Oranienburg oder Treppenstufen aus dem Park von Sanssouci. So war es möglich, das Bauwerk in nur fünf Monaten fertigzustellen. Die Altarnische, das Marmorkruzifix und die Bibelsprüche an den Wänden gaben dem Bauwerk den Charakter einer Kapelle. Den Standort im Park, am Ende einer dunklen Tannenallee, hatte Friedrich Wilhelm III. ganz bewusst ausgewählt. Es war einst der Lieblingsplatz seiner Gemahlin.

Bildhauer Christian Daniel Rauch fertigte in Rom und Carrara einen Sarkophag aus Marmor mit einer darauf ruhenden Skulptur Luises. Den Gipsentwurf hatte er vorher im Beisein des Königs in Berlin erstellt. Das Mausoleum entwickelte sich später zu einer Kultstätte für die Verehrung der Königin.

Als Friedrich Wilhelm III. 1840 starb, ließ sein Thronfolger Friedrich Wilhelm IV. das Mausoleum erstmals baulich verändern. Abermals vergrößert wurde der Bau 1888 nach dem Tod Kaiser Wilhelms I. und seiner Gemahlin Augusta 1890, deren Marmorsarkophage sich seit 1894 auch hier befinden. So wurde die Grabstätte der letzte Ort für weitere bedeutende Mitglieder des preußischen Königshauses.

In der unzugänglichen Gruft unter der Gedenkhalle sind die zweite Gemahlin Friedrich Wilhelms III., Fürstin Auguste von Liegnitz und Prinz Albrecht, der jüngste Sohn Luises und Friedrich Wilhelms III., sowie das Herz des in der Potsdamer Friedenskirche beigesetzten Friedrich Wilhelms IV. bestattet worden.

Das Mausoleum ist öffentlich zugänglich, man sollte jedoch die Öffnungszeiten beachten: WINTERSAISON | NOVEMBER BIS MÄRZ   Montag - Sonntag: geschlossen

SOMMERSAISON | APRIL BIS OKTOBER Dienstag - Sonntag: 10:00 - 17:30 Uhr, Montag geschlossen.

Tickets sind vor Ort am Automaten und an den Kassen im Alten Schloss und im Neuen Flügel erhältlich. Preis: 3.00 Euro, ermäßigt: 2.00 Euro.

Wer außerdem einen Spaziergang durch den Schlosspark plant, sollte sich von der kostenlosen Web-App von lialo führen lassen. Man braucht nur sein Smartphone und diesen Link: Schnitzeljagd im Schlosspark Charlottenburg und schon kann es losgehen. Kleine Aufgaben und Rätsel machen aus dem Spaziergang eine Schnitzeljagd, die man am besten mit der Familie oder Freunden unternimmt. 

Text und Fotos: Klaus Tolkmitt

Mittwoch, 1. Februar 2023

Im Tieranatomischen Theater wurden „Rossärzte“ ausgebildet

Das älteste Berliner Lehrgebäude ist heute ein architektonisches Kleinod

Mitten in Berlin, zwischen Invalidenstraße und Reinhardtstraße, und doch ein wenig versteckt im ehemals Gräflich-Preußischen Garten an der Luisenstraße, befindet sich das älteste erhaltene akademische Lehrgebäude Berlins. Das „Tieranatomische Theater“ (TAT), gebaut von Carl Gotthard Langhans, der auch das Brandenburger Tor entwarf, erinnert mit seinen ansteigenden Sitzreihen an ein antikes Amphitheater und gilt als ein Meisterwerk des deutschen Frühklassizismus.


König Friedrich Wilhelm II. hat das architektonische Kleinod im Stil einer italienischen Renaissancevilla 1789 auf dem heutigen Gelände des Campus Nord der Humboldt-Universität bauen lassen. Zur damaligen Zeit trugen Pferdeseuchen zum miserablen Zustand der Preußischen Kavallerie bei. Darum sollten im Tieranatomischen Theater dringend gute „Rossärzte“ ausgebildet werden.

Langhans verknüpfte antike Vorbilder der Rundtempel und Amphitheater zu einer Wissensarchitektur, in deren Zentrum der Hörsaal mit einer ins Erdgeschoss reichenden Hebebühne stand. Mit dieser Hebebühne konnten die Kadaver so großer Tiere wie Pferde in spektakulären Inszenierungen den Studenten vorgeführt werden.

Seit dem Jahr 2012 wird das Tieranatomische Theater (im Berliner Volksmund auch "Trichinentempel" genannt) nach einer siebenjährigen Restaurierung vom Hermann-von-Helmholtz-Zentrum für Kulturtechnik der Humboldt-Universität genutzt und betrieben. Blut wird in Zukunft nicht mehr fließen, denn die Universität möchte das Tieranatomische Theater zukünftig als Ausstellungsraum und Bühne für experimentelle Darstellungsformen und ein Labor für kuratorische Praktiken nutzen. So hat das Tieranatomische Theater bereits mit verschiedenen Berliner Museen und Institutionen, Künstlern und Filmemachern zusammengearbeitet und zahlreiche Performances, Lesungen und Vorträge umgesetzt. Eine ständige Ausstellung widmet sich der 200-jährigen Geschichte des Hauses. Text und Fotos: Klaus Tolkmitt

Montag, 30. Januar 2023

Der Olof-Palme-Platz mit dem Ammonitenbrunnen

Zum Gedenken an den ermordeten schwedischen Ministerpräsidenten

Direkt vor dem Eingang zu Berlins Aquarium im Kreuzungsbereich Budapester Straße/ Kurfürstenstraße im Bezirk Tiergarten liegt der Olof-Palme-Platz. Eigentlich ein schmuckloser Platz, mit ein paar Bänken und wenig Grünfläche, wäre da nicht der markante Brunnen mit übereinanderliegenden Schieferplatten.

Die Anlage wurde im März 1991 erstellt und dem 1986 ermordeten schwedischen Ministerpräsidenten Olof Palme gewidmet.

Der Mord an den Ministerpräsidenten zählt zu den größten Kriminalfällen Europas und galt lange für nicht aufklärbar. Er wurde am Abend des 28. Februar 1986 um kurz vor Mitternacht auf offener Straße von hinten erschossen, als er gemeinsam mit seiner Frau aus einem Stockholmer Kino kam und auf dem Rückweg nach Hause war. Palmes Frau Lisbet überlebte die Tat leicht verletzt.

Nach 34 Jahren und ungezählten Fehlschlägen und Fahndungspannen gab die Polizei in Stockholm 2020 den Namen des Täters bekannt, der allerdings nicht mehr strafrechtlich verfolgt werden konnte, da er bereits im Jahr 2000 verstorben war.

Der 2,50 × 11 × 17 Meter große Ammonitenbrunnen ist eine von der Natur abgeschaute geometrische Konstruktion, verweist auf den namensgebenden Ammoniten, einen vor über 70 Millionen Jahren ausgestorbenen Kopffüßer. Kopffüßer gehören zu den größten lebenden Weichtieren und kommen nur im Meer vor. Es gibt sowohl freischwimmende als auch am Boden lebende Arten. Derzeit sind etwa 30.000 ausgestorbene und 1.000 heute lebende Arten bekannt.

Der Springbrunnen besteht aus 165 Schieferplatten, die im Sauerland 160 Meter unter Tage gebrochen wurden, sowie 13 bronzenen Skulpturen, die an urzeitliche Fossilien erinnern.

Wer z.B. mit dem Bus der Linie 100 vom Alexanderplatz Richtung Zoologischer Garten fährt und mit seinem Smartphone die App von lialo nutzt: „Berliner Highlights Hop on Hop off mit dem Bus 100“ https://www.lialo.com/de/tour/34qp kommt direkt am Olof-Palme-Platz vorbei und kann sich den Brunnen näher anschauen. Text und Fotos: Klaus Tolkmitt

Mittwoch, 4. Januar 2023

Der melancholische Schifferjunge mit seinem Schifferklavier

Dank Denkmalschutz sitzt die Brunnenfigur „auf dem Trockenen“.

Fast schon traurig sitzt auf einem Hafenpoller am Ufer der Spree unter der Hansabrücke im Hansaviertel ein Schifferjunge, der melancholisch auf seiner Ziehharmonika (Schifferklavier) spielt und sehnsüchtig den abfahrenden Dampfern nachsieht, die hier kurz anlegen, um dann ihre Fahrt auf der Spree fortzusetzen.

Die Brunnenfigur von Bildhauer Hermann Kurt Hosäus auf der Sandsteinsäule wurde mit dem Bau der Brücke 1914 hier aufgestellt. Aus den vier Fröschen am Fußkranz sprudelte Wasser in einen Brunnen. Doch die Frösche haben seit 1953 einen trockenen Hals und aus dem Brunnen ist ein Blumenkübel geworden. Der Schifferjunge könnte also „trockenen Fußes“ von seiner Säule herabsteigen, wäre da nicht der Denkmalschutz, der das verhindert.

Und trotz Denkmalschutz wird eines Tages diese versteckte Skulptur unter der Brücke leider auch verschwinden und der melancholische Schifferjunge mangels Sanierung herabstürzen. Bestenfalls kann er auf einem Dampfer anheuern, der ihn über die Spree, Havel und Elbe hinaus in die weite Welt schippert. Text und Foto: Klaus Tolkmitt