Toteislöcher sind Zeugen der Vergangenheit
Es ist kaum vorstellbar, doch vor über 20.000 Jahren war
Berlin noch ein Eiskeller, von Gletschern 200 Meter hoch bedeckt. Der heutige
Fernsehturm am Alexanderplatz würde bis zur Kugel (mit Restaurant und
Aussichtsplattform) im dicken Eis- und Schneepanzer stecken.
Die Gletscher und Schneepanzer der Eiszeit haben bis heute
sichtbare geologische Formationen hinterlassen. Markante Höhen und Senken, wie
in der Murellenschlucht hinter der Waldbühne im Ortsteil Westend und Gewässer,
wie der Weißensee im gleichnamigen Ortsteil sind „Überbleibsel“ aus der
Eiszeit. Auch Spree und Havel fließen in ehemaligen Schmelzwasserrinnen.
Weiß man erst einmal, worauf man achten muss, kann man der
Eiszeit im gesamten Stadtgebiet auf Schritt und Tritt begegnen. So z.B. mit der
Handy-Tour: „Der Berliner Ochse aus Tempelhof“ bei www.lialo.com
Schau mal hier: lialo-Tour durch Tempelhof
Der Krumme Pfuhl auf dem Friedhof Eythstraße, der Hels Pfuhl
am Alboinplatz und der Weiher in der Lindenhofsiedlung im Bezirk
Tempelhof-Schöneberg liegen in einer eiszeitlichen Rinne und sind jeweils nur
knapp 200 Meter voneinander entfernt. Die Struktur des Geländes (ein Auf und
Ab) führte wahrscheinlich dazu, dass sich die Bezeichnung „Tempelhofer Schweiz“
eingebürgert hat.
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Der Hels Pfuhl am Alboinplatz
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Vom Alboinplatz zieht sich die Seenkette weiter nach Nordosten
über den Wilhelmsteich am Lehnepark, den Klarensee im Alten Park bis zum
Francketeich im Franckepark östlich des Tempelhofer Damms. Im Südwesten folgt
der Hambuttenpfuhl an der Grabertstraße in der ehemaligen Steglitzer
Villenkolonie Südende.
Diese Teiche sind Toteisseen oder Toteislöcher, die beim
Rückzug des Gletschers entstanden sind. Trennt sich vom Gletscher ein Eisblock
ab, spricht man von einem Toteisblock. Strömt nun vom Gletscher weiteres
Schmelzwasser ab, kann dieses Sand und Kies um den Eisblock anlagern. Dadurch
wird das Eis unter dem Sedimentmaterial isoliert und schmilzt somit langsamer.
Nach dem vollständigen Abschmelzen des Eises entsteht ein
Hohlraum, der nach einem Zusammensturz des Sedimentmaterials darüber als
Toteisloch oder -kessel bezeichnet wird. Fließt nun Grundwasser in den Kessel,
entsteht ein Toteissee. Toteisseen sind meist isoliert und haben keinen Zu- und
-abfluss des Wassers.
Mannshohe Findlinge, die uns immer wieder mal begegnen, ist
Gestein, das von den Eismassen aus dem Norden zu uns hergeschoben wurde. Nach
dem es wieder wärmer wurde und das Eis sich zurückzog, blieben die Findlinge als
Transportgut einfach liegen
Wie kommt es zur Eiszeit? Experten erklären es mit einfachen
Worten. Die Erde unterliegt zyklischen Schwankungen, die Erdachse verändert
sich. Dadurch bekommen die Pole weniger Sonne, das Eis breitet sich aus. Das
passiert nicht plötzlich, eher schleichend, im Verlauf von Tausenden von
Jahren. Es wurde auch immer mal wieder etwas wärmer.
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Der Weiher in der Lindenhofsiedlung
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Auch der Berliner Raum veränderte sich. Aus
Birken-Kiefern-Wäldern wurde Tundra, eine Kältesteppe mit Dauerfrostboden. Auf
der Nordhalbkugel fiel die Temperatur, in Skandinavien wuchsen Gletscher 3000
Meter hoch. Sie banden so viel Wasser, dass der Meeresspiegel um 135 Meter
absank. Durch ihr Eigengewicht kamen die Gletschermassen in Bewegung, wanderten
nach Süden und schließlich zu uns. Langsam, aber sicher, mit einer
Geschwindigkeit von 220 Metern pro Jahr.
In Berlin und Brandenburg verschwanden die letzten Bäume und
Sträucher, mit ihnen auch die Tiere: Wollhaar-Mammut, Steppenbison und Rentier,
alles Leben wurde vom Eis ausgerottet.
Doch dann kam vor zirka 12.000 Jahren die Wende. Es kam zu
einer schnellen und dauerhaften Erwärmung. Der Berliner Gletscher taute, das
Schmelzwasser floss Richtung Süden ab, bildete einen mächtigen Strom, der den
Untergrund verformte und gestaltete.
So entstand das Urstromtal, in dem wir heute leben.
Natürliche Erhebungen wie der Kreuzberg oder Tempelhofer Berg sind nichts
anderes als die Uferkanten des bis zu zehn Kilometer breiten
Schmelzwasserstroms.
Die Toteislöcher wurden inzwischen in die Liste der
Naturdenkmale aufgenommen, um diese naturgeschichtlich wertvollen Beweise
dauerhaft zu erhalten.
Wir werden die Eiszeit nicht noch einmal erleben, ganz im
Gegenteil, wir befinden uns gerade auf der anderen Seite des Klimas, es wird
ständig wärmer. Alles Leben wird eines Tages unter der Hitze leiden und im
schlimmsten Fall aussterben. Bis wieder eine zyklische Schwankung auftritt und
sich die Erdachse minimal verändert. Text und Fotos: Klaus Tolkmitt