Donnerstag, 14. Juli 2022

Ein Ort der Erinnerung

Stelenfeld erinnert an Grabsteine oder Sarkophage

Nach langen Debatten fasste 1999 der Deutsche Bundestag parteiübergreifend den Beschluss, in unmittelbarer Nähe zum Brandenburger Tor das „Denkmal für die ermordeten Juden Europas“ zu errichten. So wurde dann das Denkmal aus 2711 Beton-Stelen auf einer Fläche von rund 19.000 Quadratmetern an

der Cora-Berliner-Straße 1 von April 2003 bis Mai 2005 nach dem Entwurf des New Yorker Architekten Peter Eisenman gebaut und um einen „Ort der Information“ unter dem Denkmal ergänzt.

Nach der Wiedervereinigung Deutschlands und der Entscheidung den Bundestag nach Berlin zu verlegen, kam auch schnell die Diskussion auf, eine zentrale Holocaustgedenkstätte umzusetzen.

Nach dreijähriger Bauzeit fand am 10. Mai 2005 die feierliche Eröffnung statt.

Das Denkmal ist der Versuch, neue Ideen der Erinnerung zu entwickeln. Im Laufe der Jahre wurden die Stelen zunehmend mit Inhalten gefüllt; zum Beispiel sollten die Stelen an Grabsteine oder Sarkophage bzw. an die Asche der verbrannten Juden erinnern, die meistens in Gewässer oder in Gruben geworfen wurde.


Auch Architekt Eisenman trug mit Bildern vom „wogenden Weizenfeld“ und der „bewegten Meeresoberfläche“ zur Meinungsbildung der Bedeutung der Stelen bei.

Das Stelenfeld ist jederzeit von allen Seiten zugänglich und der Ort der Information ist von April bis September dienstags bis sonntags von 10.00 bis 20.00 und von Oktober bis März dienstags bis sonntags von 10.00 bis 19.00 geöffnet. Text und Fotos: Klaus Tolkmitt

Sonntag, 10. Juli 2022

Vom Industriestandort zur grünen Insel

Ehemalige Malzfabrik versprüht einen besonderen Charme

Berlin hat eine lange Brautradition, denn bereits 1826 wurde bei der Schultheiß-Brauerei in Moabit der süffige Gerstensaft gebraut. Um der Qualität des eigenen Biers treu zu bleiben und von anderen Firmen unabhängig zu werden, entstand 1914 in Schöneberg auf dem Industriegelände an der Bessemerstraße 2-14 eine eigene Mälzerei, die bis 1996 betrieben wurde.


Seit 2005 wird dem knapp 50.000 Quadratmeter umfassenden Denkmal mit einem neuartigen, nachhaltig maximal optimierten Nutzungskonzept neues Leben eingehaucht.

Die gründerzeitlichen Klinkerbauten, in denen einst Europas größte Malz-Produktionsstätte untergebracht waren, versprühen an allen Ecken ihren besonderen Charme und bieten Raum für neue Impulse, mit dem Fokus auf Kreativität, Kultur, Umweltbewusstsein und nachhaltigem Denken.


Die Malzfabrik lebt also weiter, wenn auch unter anderen Vorzeichen. Etappenweise wurden verschiedene Produktions-, Büro- und Veranstaltungsflächen entwickelt und ein grünes Umfeld geschaffen.

Das sieht man besonders vor den alten Mauern, wo sich mit viel Liebe zum Detail, ein Biotop entwickelt.

In dem kleinen Park ist nicht nur die „Stadtfarm“


integriert, verschlungene Wege zwischen Wasserläufen und kleinen Teichen laden neben einer großen Wiese zum Verweilen ein.

Hier finden nicht nur Mitarbeiter der Malzfabrik während ihrer Mittagspause ein ruhiges Plätzchen, auch Anwohner aus der Nachbarschaft wissen das Naturparadies inzwischen zu schätzen. Text und Fotos: Klaus Tolkmitt

Montag, 4. Juli 2022

Die "Gute Stube" in der Florastraße

Mosaikmöbel bieten Fotomotiv für Hochzeitspaare

Vom Frühjahr bis in den Herbst macht die Florastraße in Pankow ihrem Namen alle Ehre. Überall blüht es vor den Fenstern und Türen in bunten, leuchtenden Farben und ein Spaziergang entlang der sanierten Bürgerhäuser ist ein Spaziergang zum Genießen.  Zu Recht wird die Florastraße Pankows blühendes Viertel genannt.

Kommt man aus Richtung S-Bahn-Station Wollankstraße in den grünen Kiez, dann fallen hinter dem Haus mit der Nummer 88/89 sogleich die großen Mosaikmöbel ins Auge, die dort im Freien zum Sitzen einladen. Hier befindet sich ein sogenannter Pocketpark, den die Künstler Christine Gersch und Igor Jerschov angelegt haben und dafür den Gustav-Meyer-Sonderpreis (benannt nach dem ersten Berliner Stadtgartendirektor) entgegennahmen.

Sie nutzten die Grundfläche eines Gründerzeithauses, das hier stand und im Krieg zerstört wurde.

Die Mosaikmöbel stehen für Wohnstube, Küche, Schlafzimmer und Leseecke und die Steinverzierungen im Boden machen den Grundriss wieder sichtbar.

Da die Wände des Hauses fehlen, liegt man mit seinem Bett (nicht im Kornfeld) aber im grünen Vorgarten.

Die übergroßen, massiven Mosaik-Sitzmöbel bestehen in ihrem Grundkörper aus Beton und Stahl und sind mit Feinsteinzeug und Glas überzogen, in dem sich das Licht reflektiert.

Hier trifft man sich zum "Mensch ärgere dich nicht" spielen, da das Spielbrett im Tisch schon eingelassen ist, oder aber nur auf einen Klönschnack. Immer häufiger tauchen auch Hochzeitspaare auf, um in dieser außergewöhnlichen Location ihren Bund fürs Leben im Bild festzuhalten.

Das Künstlerpaar ist seit mehr als 20 Jahren in Glienicke ansässig und hat in und um Berlin herum viele Skulpturen und Objekte aufgestellt, wie die „Gute Stube“ an der Florastraße. So werden die künstlerischen Stadtmöbel, die zu einem Wahrzeichen für den Florakiez geworden sind und mit ihrem Flair den Kiez bereichern, auch genannt.

Der Besuch zu den Sitzmöbeln lässt sich gut mit der Web-App von lialo.com verbinden. Mit dem Smartphone und dem Link: Es grünt so grün...im Florakiez kann man vom Dorfanger zum Rathaus und durch den Bürgerpark in die Florastraße schlendern und dabei die wechselvolle Geschichte von Pankow erfahren. Text und Fotos: Klaus Tolkmitt

Samstag, 25. Juni 2022

Helden ohne Degen

Auf der "Straße der Erinnerung" werden Persönlichkeiten geehrt

Wer sich den Berliner Stadtplan mal genauer anschaut, der wird schnell feststellen, dass die Spree sich in einem mehrmaligen „auf und ab“ durch die Stadt schlängelt, bevor sie in Spandau in die Havel mündet. Zwischen der Moabiter Brücke und der Lessingbrücke im Berliner Ortsteil Moabit liegt an so einem „Spreebogen“ die Straße der Erinnerung.

Vom S-Bahnhof Bellevue sind es nur ein paar Schritte und man steht auf der Moabiter Brücke,


die wegen ihrer Bärenskulpturen auch Bärenbrücke genannt wird.

Was es mit der Brücke, den Skulpturen, dem Spreebogen und all den anderen Brücken über die Spree so auf sich hat, beschreibt die Web-App von lialo.com auf der „Brückentour“. Entlang der Spree erfährt man gleich mehrere Geschichten und „Skandale“, die am Rande des Weges passiert sind. Hier geht es direkt zur Berliner Brücken Tour

Hinter der Brücke beginnt links eine Promenade, die an der Spree entlangführt, auf der nicht nur


Teile der Berliner Mauer zu sehen sind, hier beginnt zwischen den beiden Bürotürmen die „Straße der Erinnerung“ Hier werden deutsche Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Kultur und Politik gezeigt, die Großes geleistet haben und für Freiheit und Menschenrechte eingetreten sind.

Das öffentlich zugängliche Denkmal im Spreebogen besteht aus 11 Skulpturen, von Albert Einstein bis Thomas Mann, mit denen die Ernst Freiberger-Stiftung Persönlichkeiten ehrt, die vorrangig in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts „Außergewöhnliches geleistet und in schwierigsten Zeiten vorbildliche Haltung bewiesen haben“.

Die Stiftung bezeichnet die geehrten Personen als Helden ohne Degen. Damit will der Gründer der Stiftung, Ernst Freiberger, zeigen, dass „es in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts auch positive Helden – Helden ohne Degen – in Deutschland gegeben hat“.


Die Ernst Freiberger-Stiftung wurde 1994 durch den Unternehmer Ernst Freiberger in Berlin gegründet, der sich sozial, kulturell und gesellschaftlich engagiert. Die Bronze-Büsten der „Helden“ wurden von namhaften Künstlern wie Heinrich Drake und Bernhard Heiliger geschaffenen. Text und Fotos: Klaus Tolkmitt

Sonntag, 12. Juni 2022

Freier Blick vom Teufelsberg

Ehemalige Abhörstation ist ein Paradies für Graffiti-Künstler

Berlin lag nach dem 2. Weltkrieg in Schutt und Asche. Vor dem Wiederaufbau mussten die Trümmer entsorgt werden. So entstanden gleich mehrere Trümmerberge in der Stadt, die heute als bepflanzte Aussichtsberge in die Naturlandschaft integriert wurden.

Der Teufelsberg ragt 120 Meter in die Höhe und gehört damit zu den größeren „Schuttbergen“. Insgesamt wurden hier 26 Millionen Kubikmeter Trümmerschutt abgeladen, oder anders ausgedrückt, 15.000 Gebäude entsorgt.

Nach Beendigung der Ablagerung wurde die Landschaft mit Sand und Mutterboden gestaltet und mit rund einer Million


Bäumen bepflanzt. Was viele Nicht-Berliner nicht wissen, es entstand ein riesiges Freizeit- und Wintersportgelände mit einem Skihang, einer Rodelbahn und einer Sprungschanze. Lift, Flutlicht und Schneekanonen sorgten bis 1987 für ausgiebigen Winterspaß.  Anlässlich der 750-Jahr-Feier Berlins wurde am 28. Dezember 1986 auf dem Skihang ein Wettbewerb im Parallelslalom mit bekannten Skifahrern ausgetragen. Sieger wurde der ehemalige Weltmeister und Olympiasieger von 1980 Leonhard Stock aus Österreich.


Sein bis heute markantes Aussehen erhielt der Teufelsberg mit dem Bau der Abhöranlage, die den Amerikanern in Zeiten des „Kalten Krieges“ die Möglichkeit bot, bis weit in das Gebiet des Warschauer Paktes hineinzuhorchen. Anfangs noch als mobile Station, zur Überwachung des Luftraums, entstand auf dem Berg ein riesiges Areal der National Security Agency (NSA).

Da ein kleiner Teil der Teufelsberg-Begrünung von der militärischen Nutzung verschont blieb, wurde zwischen den 1970er und 1980er Jahren am Südhang sogar Wein angebaut. Als Wilmersdorfer Teufelströpfchen ist er in die Geschichte eingegangen.


Nach der Wiedervereinigung und dem Ende des Kalten Krieges wurde die Anlage überflüssig und die Amerikaner zogen sich 1991 zurück. Die Gebäude blieben vorerst erhalten und wurden bis 1999 zur zivilen Luftüberwachung des Flugverkehrs genutzt.

Nachdem der Berliner Senat das Gelände an eine Investorengemeinschaft verkauft hatte, begannen die Spekulationen um die Nachnutzung. Von einem Hotel mit Tageszentrum war die Rede, von exklusiven Wohnungen und einem Spionagemuseum, bis hin zu einer Friedensuniversität.

Bis heute (Stand Juni 2022) stehen aber weiterhin nur Ruinen auf dem Berg, zur Freude einer bestimmten Klientel. Graffiti-Künstler aus aller Welt haben die Gebäude für sich entdeckt und die Wände der alten Abhörstation mit unzähligen Muralen zum Leben erweckt.


Seit 2018 steht der Teufelsberg aus städtebaulichen und historischen Gründen unter Denkmalschutz und kann inzwischen auch ganz offiziell besichtigt werden, nachdem ein privater Nutzer kostenpflichtige Führungen und Veranstaltungen anbietet. Der Zugang zu den Aussichtsplattformen bietet den Besuchern einen wundervollen unverbauten Rundumblick über Berlin. Text und Fotos: Klaus Tolkmitt